TU Darmstadt – PtU Der Weg in die Digitalisierung – Kompetenzzentrum als Unterstützung

Autor / Redakteur: Paul, Felber, Peter Groche, Johannes Hohmann und Tilman Traub / M.A. Frauke Finus

Deutsche Fachkräfte sind für ihr hohes Fachwissen bekannt. Ein Großteil des Wissens basiert auf den Erfahrungen von Einzelnen, die diese über viele Jahre gesammelt haben. Mit ihrem Eintritt ins Rentenalter besteht die Gefahr des Verlustes von Wissen. Der Einzug von Informations- und Kommunikationstechnologien in das produzierende Umfeld bietet Möglichkeiten, Teile dieses Wissens zu digitalisieren und somit zu sichern.

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Die Abbildung zeigt den Übergang von der klassischen Prozessüberwachung hin zur Nutzung der Informationen innerhalb von Assistenzsystemen am Beispiel eines Stanzprozesses.
Die Abbildung zeigt den Übergang von der klassischen Prozessüberwachung hin zur Nutzung der Informationen innerhalb von Assistenzsystemen am Beispiel eines Stanzprozesses.
(Bild: TU Darmstadt – PtU)

Seit Jahrzenten profitieren produzierende Unternehmen der deutschen Industrie vom umfangreichem Fachwissen ihrer Beschäftigten. Gleichzeitig bildet das Sichern von Wissen in der aktuellen Produktionslandschaft eine große Herausforderung für Unternehmen. Das zu sichernde Wissen trägt maßgeblich zu neuen technologischen Innovationen bei und ist ein entscheidender Produktionsfaktor für den Industriestandort Deutschland. Ein Großteil des Wissens basiert auf den Erfahrungen einzelner Beschäftigter, die dieses in mehreren Jahrzehnten ihrer Berufstätigkeit gesammelt haben. Bedingt durch das Medianalter dieser Mitarbeiter von derzeit 46 Jahren ist zu erwarten, dass umfangreiches Wissen durch das Ausscheiden dieser Mitarbeiter verloren geht. Durch den demographischen Wandel droht so ein massiver Verlust an Know-how und Wirtschaftlichkeit in den kommenden Jahrzehnten.

Der Einzug von Informations- und Kommunikationstechnologien in das produzierende Umfeld bietet Möglichkeiten, Teile des prozess-, produktionsanlagen- oder produktspezifischen Wissens von Mitarbeitern zu digitalisieren und somit langfristig in den Unternehmen zu sichern. Dies kann dem Erhalt von Wissen (zum Beispiel in Wissensdatenbanken) dienen und gleichzeitig in Form von Assistenzsystemen ein besseres Ausgangsniveau für die Qualifizierung neuer Mitarbeiter bereiten. Werkerassistenzsysteme übernehmen in diesem Szenario die Funktion eines Ratgebers, der Anlagenbedienern auf Basis von festgestellten Fehlerbildern und erfassten Prozesszuständen zielführende Gegenmaßnahmen vorschlägt.

Höhere Prozessstabilität, -robustheit und -qualität

Insbesondere in der Umformtechnik sind erfahrungsbasierte Einricht- und Anpassvorgänge von Prozessen oder Werkzeugen Teil des industriellen Alltags. Diese meist manuell ausgeführten Tätigkeiten verursachen Unsicherheit in den Prozessen und einen entsprechend hohen Zeitaufwand zur Fehlerbehebung. Mithilfe digitaler Unterstützung von Tätigkeiten durch die Erfassung von prozessspezifischen Größen mittels Sensorik können Systeme aufgebaut werden, die Anpassungen von Prozessen oder Vorgängen aufzeichnen und mit dem produzierten Ergebnis korrelieren. Bei einer Verbesserung der Qualität können die eingestellten Veränderungen für nachfolgende Tätigkeiten über Assistenzsysteme dem Bediener vorgeschlagen und so Einrichtvorgänge beschleunigt werden. Dies führt zu einer erhöhten Prozessstabilität, -robustheit und -qualität. Dabei ist die Verknüpfung von sensorischen Informationen und Qualitätskriterien sowie den durchgeführten Tätigkeiten der Bediener das entscheidende Wissen für die Speisung solcher Assistenzsysteme.

Beispielhaft sei der Übergang von der klassischen Prozessüberwachung hin zur Nutzung der Informationen innerhalb von Assistenzsystemen bei einem Stanzprozess aufgezeigt. Die grundlegende Funktionsweise eines Assistenzsystems kann in drei Abschnitte untergliedert werden. Zunächst greift das System auf aktuelle Daten aus dem Produktionsprozess zu. In dem betrachteten Stanzprozess sind diese zum Beispiel Kraftsignale an verschiedenen Werkzeugpositionen. Durch den Abgleich mit erwarteten Wertebereichen beziehungsweise Wertemustern können so zunächst Fehler im Prozessaufbau detektiert werden. Im zweiten Schritt analysiert das Assistenzsystem den Fehler und wertet in den Signalen enthaltene Muster oder Korrelationen zu bestimmten Fehlerbildern aus, um so eine Fehlerursache zu identifizieren. Im dritten Schritt weist das System den Anlagenbediener auf den gefundenen Fehler hin und schlägt entsprechende Korrekturmaßnahmen vor. Der Anlagenbediener kann somit ohne zeitintensive Fehlersuche mit der Prozessverbesserung beginnen, auch wenn sein eigenes Prozesswissen allein noch nicht ausreichend ist.

Kostenfreie Workshops und Umsetzungsprojekte

Die Erfassung von Wissen und dessen Nutzung in Assistenzsystemen erfordert die Digitalisierung, Vernetzung und ganzheitliche Betrachtung von Wertschöpfungsketten. Angesichts der bisweilen wenig vernetzten Prozessketten steht die Produktion somit vor einem massiven Wandel. Dieser ist nur durch die Implementierung der Informations- und Kommunikationstechnologien im produktiven Umfeld zu bewältigen. An dieser Stelle setzt das Mittelstand 4.0 Kompetenzzentrum Darmstadt an, indem es Unternehmen auf den ersten Schritten in eine digitale Produktionsumgebung begleitet.

Im Rahmen von kostenfreien Workshops und Umsetzungsprojekten vermittelt das Kompetenzzentrum Grundlagen, um Unternehmen zur Implementierung der digitalen Produktion (Industrie 4.0) zu befähigen. Innerhalb verschiedener, praxisnaher Schulungen werden hier die Entwicklungsschritte zu Assistenzsystemen ausgehend von den Grundlagen einer durchgängigen Nutzung von Sensoren oder einer kontinuierlichen Datenerhaltung bis hin zur dauerhaften Nutzung derartiger Systeme dargestellt.

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