Regionalmesse „SchraubTec“ Die Lage am Schraubenmarkt und wo die Akteure anzutreffen sind
Im Vorfeld der Messe „SchraubTec“ hat die Vogel Communications Group (VCG) Dr. Volker Lederer (FDS) und Christian Kocherscheidt (DSV) gefragt, wie sich der Schraubenmarkt entwickelt und welche Herausforderungen bezüglich Materialknappheit und Preispolitik existieren. Eine Einordnung mit zwei Meinungen. Für fachliche Gespräche stehen Experten auf den „SchraubTec“-Messen zur Verfügung.
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Vogel Communications Group: Wie entwickelt sich der internationale Schraubenmarkt und was sind die Auswirkungen für Deutschland?
Dr. Volker Lederer: Seit dem vierten Quartal 2020 durchlebt der internationale Schraubenmarkt enorme Turbulenzen. Auf der einen Seite ist er massiv beeinträchtigt durch Materialverknappung, durch eingeschränkte Fertigungskapazitäten infolge von Corona, durch den Mangel an Seecontainern und den damit verbundenen und um ein Vielfaches gestiegenen Seefrachtkosten. Auf der anderen Seite steigt der Bedarf an Schrauben – ausgelöst durch den Boom der europäischen Industrie. Hinsichtlich der Versorgungslage kommt erschwerend hinzu, dass zahlreiche Großhändler und industrielle Endverbraucher angesichts der Corona-Krise im Jahr 2020 aus Sicherheitserwägungen ihre Lagerbestände spürbar herunter gefahren haben. Derzeit ist nicht absehbar, wann sich die Versorgungslage auf den Märkten wieder normalisieren wird. Es muss davon ausgegangen werden, dass die aktuellen Herausforderungen auch weit ins Jahr 2022 reichen werden.
Die Auswirkungen für Deutschland liegen auf der Hand. Stark steigende Beschaffungs- und Produktkosten bedingen zwingend höhere Verkaufspreise für Schrauben im Großhandel und damit höhere Beschaffungskosen für industrielle Endverbraucher. Die aufgrund der Engpässe bei Material, Produktions- und Frachtkapazitäten drastisch gestiegenen Lieferzeiten führen zu Versorgungslücken, die wiederum die Produktionszeiten und -prozesse der Industrie beeinträchtigen.
Vogel Communications Group: Wo stehen die deutschen Schraubenhersteller im internationalen Vergleich?
Christian Kocherscheidt: Die deutsche Schraubenindustrie ist – gemessen an Umsatz und produzierten Mengen – der führende europäische Anbieter für Schrauben und Verbindungselemente. Im weltweiten Vergleich liegt Europa in beiden Kategorien allerdings hinter den großen Anbieterländern Asiens, namentlich China, Japan, Taiwan und den Nordamerikanern. Bedingt durch den starken, teilweise aus China unfairen Wettbewerbsdruck und die hohen Kostenbelastungen in Deutschland, mussten sich die deutschen Hersteller spezialisieren und Felder mit innovativen Produktlösungen besetzen. Damit sind wir nach wie vor Benchmark für die weltweite Schraubenindustrie.
Vogel Communications Group: Die Bundesregierung will Anti-Dumping-Zölle auch auf chinesische Verbindungselemente erheben. Welche Auswirkungen hat das für Deutschland?
Christian Kocherscheidt: Der Sinn dieser Zölle liegt für mich darin, dass man grundsätzlich wieder zu einem fairen Wettbewerb zurückfinden kann. Hier sind in der Vergangenheit auffällige Verzerrungen entstanden, die die europäischen Hersteller in den letzten Jahrzehnten durch Niedrigpreise aus China aus den Standardsortimenten gedrängt haben. Dies traf auch auf andere asiatische Produzenten zu, deren Anteile am europäischen Markt sind in den vergangenen Jahren zugunsten chinesischer Hersteller ebenfalls gesunken. Wozu das dann führt, sieht man neben den negativen wirtschaftlichen Folgen für zahlreiche Hersteller von mechanischen Verbindungselementen auch in der aktuellen Situation, in der mangelnde Lieferfähigkeit aus Asien dann nicht aus europäischer Produktion aufgefangen werden kann.
Vogel Communications Group: Wie sieht das der Fachverband des Schrauben-Großhandels?
Dr. Volker Lederer: Die Einführung endgültiger Anti-Dumpingzölle zu Beginn des Jahres 2022 auf Stahlschrauben aus China würde sowohl die Versorgungslage weiter erheblich beeinträchtigen als auch einen weiteren Anstieg der Schraubenpreise verursachen. Zum Glück konnte die Einführung vorläufiger Anti-Dumpingzölle zum Sommer diesen Jahres verhindert werden. Dafür hat die EFDA (European Fastener Distributors Association), der europäische Dachverband des Schraubengroßhandels, dem auch der FDS angehört, seit Ende 2020 gekämpft. Um weiteren Schaden von der deutschen und europäischen Industrie abzuwenden, kämpft EFDA nun gegen die Einführung endgültiger Anti-Dumpingzölle.
Die asiatischen Fertigungskapazitäten außerhalb Chinas werden infolge des chinesisch-amerikanischen Handelskonfliktes bereits jetzt von US-Importeuren überbeansprucht. Zusätzliche Bedarfe aus Europa, ausgelöst durch die Einführung endgültiger Anti-Dumpingzölle, könnten nicht oder nur mit sehr langen Lieferzeiten befriedigt werden. Die Verlagerung der Beschaffung nach Europa funktioniert ebenfalls nicht, da die europäischen Schraubenhersteller seit Monaten an der Kapazitätsgrenze arbeiten und keine Fertigungskapazitäten für den Schrauben-Großhandel zur Verfügung stellen können.
Vogel Communications Group: Wie begegnen die Schraubenhersteller den gestiegenen Preisen der Rohmaterialien ?
Christian Kocherscheidt: Hier sind leider die Handlungsmöglichkeiten stark beschränkt. Wir haben eine weltweite Verknappung, so dass ein Ausweichen auf neue Anbieter kaum möglich ist. Hinzu kommt, je höher der Materialanteil, umso aussichtsloser die Möglichkeit, dies durch andere Kostenfaktoren auszugleichen. Schrauben werden dazu in großen Anteilen an die Automobilindustrie verkauft. Diese leidet unter dem Mangel an Mikrochips und streicht demzufolge Produktionsschichten und damit Mengen. Wir haben also eine Kombination von drastischen Preissteigerungen unserer Rohmaterialien bei gleichzeitig sinkenden Mengen, die den ursprünglichen Kalkulationsbasen nicht mehr entsprechen. Da muss man kein Hellseher sein, um zu erahnen, dass sich dies in der Preisentwicklung für Schrauben und Verbindungselemente widerspiegeln wird. Ein neuer Faktor ist nun die Flutkatastrophe im Westen Deutschlands. Hier sind viele Unternehmen unserer Branche, wie auch die Drahtzieher aus dem Raum Altena, stark betroffen.
Vogel Communications Group: Hat der Kostenanstieg bei den Rohmaterialien auch Auswirkungen auf den Schraubengroßhandel?
Dr. Volker Lederer: Der starke Kostenanstieg bedeutet für den Schraubengroßhandel eine riesige Herausforderung. Vielfach basiert die Zusammenarbeit der Schraubengroßhändler mit der Industrie auf festen Rahmenverträgen. Steigende Beschaffungspreise können somit nur weitergegeben werden, wenn Verträge auslaufen oder Preisanpassungsklauseln beinhalten. Andernfalls bleibt der Schraubengroßhändler auf den gestiegenen Kosten für Material und Transport allein sitzen, was in ungünstigen Konstellationen durchaus existenzbedrohend sein kann.
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Regionalmesse „SchraubTec“ geht an den Start
Vogel Communications Group: Wie verkraftet die Schraubenbranche die Corona-Pandemie?
Christian Kocherscheidt: Für viele Verbandsunternehmen glichen die letzten 18 Monate einer Achterbahnfahrt. Zum Ende März 2020 brachen die Auftragseingänge ein, die Kunden stornierten ihre Bedarfe oder schoben sie weit in die Zukunft. Logische Konsequenz für die meisten von uns war ein massiver Anstieg der Kurzarbeit. Mit dem Spätsommer letzten Jahres gewann dann der Aufschwung an Kraft und steigerte sich so stark, dass viele an der maximalen Kapazitätsgrenze arbeiteten. Das beruhigt sich aktuell wieder, sei es, weil überall Materialien fehlen oder weil die Mikrochipkrise in der Automobilindustrie immer noch anhält.
Vogel Communications Group: Und welche Folgen hat die Corona-Pandemie für Ihre Kunden als Anwender von Schrauben?
Dr. Volker Lederer: Im wesentlichen Versorgungsschwierigkeiten und Preissteigerungen. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass Produktionsprozesse bei industriellen Endverbrauchern unterbrochen werden und folglich die Lieferzeiten für deren Produkte steigen. Die Preissteigerungen können letzten Endes zu Verteuerungen beim Endprodukt führen. All das spürt dann auch der private Endverbraucher, der länger auf sein Fahrrad oder seine Spülmaschine warten und manchmal auch Preiserhöhungen akzeptieren muss.
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