Qualität Geprüfte Additive Fertigung
Der TÜV Süd vergibt seit Kurzem das Zertifikat „Additive Manufacturer“. Was hinter dem Zertifikat steckt und was genau der TÜV überprüft, erklärt Max Rehberger, Expert Additive Manufacturing.
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- Die Zertifizierung „Additive Manufacturer“ belegt eine Reproduzierbarkeit und Rückverfolgbarkeit der Produktqualität sowie dass der Herstellungsprozess exakt definiert ist.
- Die Kriterien des Prüfprogramms richten sich nach dem Verfahren und können 250 Kriterien umfassen.
- Die Zertifizierung ersetzt keine Produktzertifizierungen für sicherheitsrelevante Bauteile, beschleunigt sie jedoch.
Noch nicht standardisierte Werkstoffe, der noch frühe Reifegrad einiger Verfahren oder mangelnde Erfahrungen mit Großserien führen mitunter zu Qualitätsmängeln. TÜV Süd Product Service zeigt, was Einkäufer von einer zertifizierten Fertigung erwarten können – und was nicht.
Was sagt die Zertifizierung „Additive Manufacturer“ aus?
Die Zertifizierung „Additive Manufacturer“ von TÜV Süd Product Service ist ein unabhängiges Begutachtungsverfahren für gesicherte Fertigungsqualität. Darin enthalten sind Werkstoffe, Prozesse und Methoden sowie die Maschinen und das Personal. Eine erfolgreiche Zertifizierung belegt eine Reproduzierbarkeit und Rückverfolgbarkeit der Produktqualität sowie dass der Herstellungsprozess exakt definiert ist. Zudem kann der Einkäufer sicher sein, dass der Auftragsfertiger alle nötigen Standards implementiert hat.
Vor allem für industriell gefertigte Funktionsteile und Großserien sind diese Punkte von besonderer Bedeutung. Denn mit höheren Stückzahlen wachsen meist auch die sicherheitstechnischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Produktrisiken. Aus Qualitätsmängeln können dann kostenintensive Nacharbeiten oder Rückrufe resultieren. Eine zertifizierte Fertigung bedeutet für den Einkäufer zum einen mehr Sicherheit. Zum anderen vereinfacht sie den Bestellprozess und die Lieferantenwahl und erleichtert den internationalen Handel.
In regulierten Branchen wie der Luftfahrt, Medizin, Mobilität oder für Druckgeräte und für sicherheitsrelevante Bauteile müssen weiter reichende Anforderungen erfüllt werden. Noch stärker im Fokus stehen dabei die Materialprüfung, eine transparent und reproduzierbar dokumentierte Maschinenabnahme sowie die gesamte Führung des Fertigungsprozesses. Die Qualifizierung der Mitarbeiter wie Bediener, Ingenieure, QM-Manager, Vertriebler und Projektleiter ist aber genauso wichtig.
Welche Anforderungen sind in der Zertifizierung „Additive Manufacturer“ enthalten?
Das Prüfprogramm umfasst je nach Anwendung bis zu 250 Kriterien und basiert zu 40 % auf bereits veröffentlichten Additive-Manufacturing-Standards. Zugleich bezieht TÜV Süd Anforderungen von Standards ein, die derzeit noch im Entstehungsprozess sind. In Kürze erscheint beispielsweise die DIN SPEC 17071, die sich zu einem zentralen Leitfaden für einheitliche Fertigungsqualität in der Industrie entwickeln dürfte.
Unter den mitgeprüften technologieübergreifenden Standards sind unter anderem die DIN SPEC 17071 (Entwurf) – Leitfaden für qualitätsgesicherte Prozesse, die ISO/ASTM 52901 – Anforderungen an die Beschaffung oder die ISO 17296-3 – Haupteigenschaften und Prüfverfahren. Zentral ist meist die Konformitätsbewertung additiver Fertigungsstätten in industriellen Umgebungen. Als Beispiel für eine regulierte Branche ist für die Luftfahrt künftig zusätzlich der Standard ISO/ASTM DIS 52942 zu erfüllen. Dieser umfasst die Qualifikation und Qualifizierung von Bedienern pulverbettbasierter Laserstrahlanlagen für Luft- und Raumfahrtanwendungen.
Zu den technologieübergreifenden und branchenrelevanten Normen kommen technologiespezifische Standards. Beispiele dafür sind die DIN 35224 für die Abnahme von pulverbettbasierten Laserstrahlmaschinen oder die DIN 65123 zur Prüfung von metallischen Bauteilen sowie verschiedene VDI-Blätter zu Kunststoffbauteilen und dem Laser-Sintern oder Konstruktionsempfehlungen.
Für die Zertifizierung „Additive Manufacturer“ qualifiziert werden der Betrieb der Anlage, das Ausgangsmaterial und dessen Management sowie der Fertigungsprozess selbst. Die Dokumentation muss neben der Wartung und der Kalibrierung der Prüfmittel die Historie zu den Werkstoffen und Bauteilen umfassen sowie die CAD-Prozesse und ein reproduzierbares Datenhandling. Erforderlich sind auch Prozessbeschreibungen in Form von Arbeitsanweisungen und Laufkarten – eingeschlossen der zugehörigen Qualitätskenngrenzen (Mindestanforderungen). Die Fertigung ist mittels Stichproben und Materialanalysen kontinuierlich zu überwachen.
Was deckt das Zertifizierung „Additive Manufacturer“ nicht ab?
Die Zertifizierung „Additive Manufacturer“ ist ausschließlich für industrielle additive Fertigungsverfahren vorgesehen. Berücksichtigt werden damit verbreitete Anwendungen wie pulverbettbasiertes Laserstrahlschmelzen und -sintern, DED, Materialextrusionsverfahren oder die badbasierte Photopolymerisation. Sie ersetzt aber keine Produktzertifizierungen für sicherheitsrelevante Bauteile. Ähnlich wie die DIN EN ISO 3834 im Bereich der Schweißtechnik handelt es sich bei der Zertifizierung „Additive Manufacturer“ um die Basis zur Qualitätssicherung von Bauteilen. Für branchen- oder bauteilspezifische Zusatzanforderungen im Rahmen einer Produktzulassung im geregelten Bereich sind weitere Prüfungen erforderlich.
Zusätzliche Anforderungen sollten eigens geprüft werden. Dazu umfassen die TÜV-Süd-Leistungen die Feedstock oder die Materialzertifizierung, Risk Management, Design Verification sowie eine Produktprüfung und -zertifizierung, aber auch die Prüfung der 3D Printing System Safety. In den Blick kommen beispielsweise die mechanischen Eigenschaften in Kombination mit einem Parametersatz oder die Benutzerfreundlichkeit einer Anlage.
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* Max Rehberger ist Expert Additive Manufacturing bei TÜV Süd Product Service in 80339 München, Tel. (07 11) 70 05-5 76, max.rehberger@tuev-sued.de
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