Glasverarbeitung Glasteile günstig aus Spezial-Composite spritzgießen

Redakteur: Peter Königsreuther

Glas ist nicht nur was für Flaschen. Viele Hightech-Branchen kommen ohne Glas, das zu den ältesten Werkstoffen zählt, nicht aus. Wie Kunststoff, kann es jetzt sogar spritzgegossen werden.

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Sieht aus wie Kunststoff, ist aber spritzgegossenes Glas. Diese Teile sind aus einem speziellen Composit von Glassomer gefertigt, wie Forschende von der Universität Freiburg dazu erklären.
Sieht aus wie Kunststoff, ist aber spritzgegossenes Glas. Diese Teile sind aus einem speziellen Composit von Glassomer gefertigt, wie Forschende von der Universität Freiburg dazu erklären.
(Bild: Neptun Lab / Universität Freiburg)

Optik, Telekommunikation, Chemie und Medizin sind ohne Hightech-Produkte aus diversen Glastypen aufgeschmissen. Klassisch wird Glas geschmolzen, gegossen, gepresst, geschliffen und/oder geätzt, bis man ein fertiges Bauteil in Händen hält. Diese Prozesse sind zwar alt, jedoch anspruchsvoll, energieaufwendig und, was das Design der Produkte angeht, limitiert. Glas ist auch schwerer als Kunststoff. Deshalb hat ein Team um Prof. Dr. Bastian E. Rapp von der Professur für Prozesstechnologie am Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg mit dem ebenfalls aus Freiburg stammenden Start-up Glassomer ein Verfahren entwickelt, mit dem man Glas einfach, schnell und in nahezu beliebigen Formen bringen kann. Das Ganze funktioniert ähnlich, wie das Spritzgießen von Kunststoffen, das bekanntlich zu den produktivsten und damit wirtschaftlichsten Fertigungsverfahren zählt, um auch komplexe Bauteile günstig und massenhaft herstellen zu können. In der Fachzeitschrift Science berichteten die Forschenden nun über die Ergebnisse.

Glas könnte aus der „zweiten Reihe“ jetzt aufrücken

Die bekannten Arten, mit denen Glas zu Produkten wird, hat bisher dazu beigetragen, dass Glas eher die zweite Wahl war, wenn es um die Wahl eines geeigneten Werkstoffs ging, führen die Experten weiter aus, auch wenn Glas in vielerlei Hinsicht besser wäre. „Und mit Kunststoffen kommt man zwar leichter zum Ziel, jedoch sind ihre physikalischen, optischen, chemischen und thermischen Eigenschaften den Gläsern meist unterlegen“, stellt Rapp klar. Was hat man also gemacht? Man hat die Kunststoff- und die Glasverarbeitung miteinander verbunden! So können zukünftig sowohl Massenprodukte als auch komplexe Kunststoffteile schnell und günstig durch Glas ersetzt werden.

Spritzgießen ist nach dem Extrudieren das wichtigste Verarbeitungsverfahren in der Kunststoffindustrie. Und transparente Gläser konnten damit bisher nicht verarbeitet werden, betonen die Freiburger. Mit dem neuartigen Glassomer-Spritzgießprozess, mit dem ein spezielles Granulat verarbeitet wird, können Gläser bei lediglich 130 °C spritzgegossen werden. Die spritzgegossenen Komponenten werden anschließend per Wärmebehandlung in Glas umgewandelt, heißt es weiter. Und zwar sind sie dann aus reinem Quarzglas. Trotz der Wärmebehandlung benötige dieser Prozess weniger Energie als das übliche Glasschmelzen. Die so gefertigten Quarzglasbauteile sollen eine so gute Oberflächenqualität haben, dass Nachbehandlungsschritte (etwa Polieren) nicht erforderlich seien.

Vieles spricht für den Einsatz von Glaskomponenten

Die designerischen Freiheiten, welche durch die Glas-Spritzgießtechnik von Glassomer jetzt ermöglicht werden, können nicht zuletzt das Anwendungsspektrum für Glasbauteile deutlich erweitern, sind sich die Forschenden sicher. Insbesondere relativ kleine Glaskomponenten könnten attraktiv werden. Man denkt dabei an die Datentechnologie, natürlich die Optik, und an die Solartechnik bis hin zum so genannten Lab-on-a-Chip oder an den Medizinsektor. Außer seiner Transparenz punkte für neue Anwendungen auch der sehr geringe Ausdehnungskoeffizient von Quarzglas. „Außerdem arbeiten Sensoren und Optiken dann bei jeder Temperatur zuverlässig, wenn ihre Schlüsselkomponenten aus Glas bestehen“, erklärt Dr. Frederik Kotz, Gruppenleiter an der Professur für Prozesstechnologie, und wissenschaftlicher Leiter von Glassomer.

Das Team um Frederik Kotz und Markus Mader, Doktorand der Professur für Prozesstechnologie, löste, wie es weiter heißt, auch die bisher bestehenden Probleme beim Spritzguss von Glas, zu denen die Porosität und der Partikelabrieb zählten. Darüber hinaus wurden wichtige Prozessschritte des neuen Verfahrens auf Wasserbasis ausgelegt, was das Ganze umweltfreundlicher und nachhaltiger mache. Und hier gibt es noch ein kleines Videodazu, wie das funktioniert.

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