Big Data zur EMO Nutzen statt besitzen! Big Data schafft neue Geschäftsmodelle

Von Daniel Schauber Lesedauer: 7 min |

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Datengetriebene Fertigungsverfahren spielen in der Produktion eine immer größere Rolle. Sie sind deshalb im Rahmen einer Messe EMO Hannover fester Bestandteil.

Auf der EMO Hannover 2023 werden digitale Geschäftsmodelle einen Fokus bilden, so der Messeveranstalter VDW. Und Thomas Bauernhansl, unter anderem Leiter des Fraunhofer IPA bekräftigt: „Deutschland braucht neue Geschäftsmodelle für die Erfolgssicherung!“
Auf der EMO Hannover 2023 werden digitale Geschäftsmodelle einen Fokus bilden, so der Messeveranstalter VDW. Und Thomas Bauernhansl, unter anderem Leiter des Fraunhofer IPA bekräftigt: „Deutschland braucht neue Geschäftsmodelle für die Erfolgssicherung!“
(Bild: Fraunhofer IPA)

In der Industrie sind frische Ideen gefragt, die im internationalen Wettbewerb Vorteile herausholen. Die intelligente Nutzung von Produktionsdaten gehört dazu. Denn sie macht Maschinen wirtschaftlicher und ermöglicht völlig neue datenbasierte Geschäftsmodelle. Solche Innovationen werden auf der EMO Hannover 2023 zu sehen sein. Unter dem neuen Claim „Innovate Manufacturing.“ lädt der Messeveranstalter VDW deshalb vom 18. bis 23. September Fachleute aus der ganzen Welt zur Weltleitmesse der Produktionstechnologie ein.

Zapf`mer`s o! Denn Daten gelten heutzutage als das neue „Öl“

Und eine solche Ölquelle liegt, bildlich gesprochen, in jeder Fabrik, bereit angezapft zu werden. Denn in allen Produktionsprozessen fallen riesige Mengen von Daten an. Dieser Informationsschatz ist ein Rohstoff, den die Industrie, um im Bild zu bleiben, raffinieren und gewinnbringend verwerten kann. So lässt sich mit Erkenntnissen, die aus Big Data gewonnen werden können, die Fertigung effizienter, prozesssicherer und nachhaltiger gestalten. Außerdem sind völlig neue digitale Geschäftsmodelle möglich, wenn Produktionsdaten systematisch erhoben, professionell verarbeitet und sinnvoll genutzt werden. Zum Beispiel ist es möglich, Maschinen nutzungsabhängig zu bezahlen, gemessen an der Leistung, die sie in einem bestimmten Zeitraum erbringen.

Mehr Effizienz im Presswerk

Die Fachtagung von MM MaschinenMarkt und blechnet

Presswerke sind eine Millioneninvestition, entsprechend viel Output erwartet man von ihnen. Wie lassen sich Kosten senken und die Effizienz erhöhen? Vor dem Hintergrund der Herausforderungen von Qualität, Flexibilität, sinkenden Losgrößen und Verfügbarkeiten gilt es die Produktion für den steigenden Kostendruck fit zu machen. Lösungen, die Sie sofort in Ihrem beruflichen Alltag unterstützen, finden Sie als Entscheider auf unserer praxisnahen Fachtagung.

Die Produktionstechnik kann etwa den Wandel zu Abo-Geschäftsmodellen vollziehen. Das heißt, sie bewegt sich weg vom reinen Maschinenkauf und hin zu zeitlich befristeter und flexibler Nutzung von Produktionsmitteln. Ob die Maschine besser dem Betreiber oder dem Hersteller gehören soll, ist letztlich eine nüchterne Kosten-Nutzen-Abwägung.

Mehr Kundenverständnis durch gesteigerte Datentransparenz

Datenbasierte Geschäftsmodelle können auch dabei helfen, der Konkurrenz den entscheidenden Schritt voraus zu sein. „Für deutsche Produktionstechnikhersteller bieten sich vor allem Geschäftsmodelle in Form von Everything-as-a-Service, kurz „XaaS“, an. Dies sind subskriptionsbasierte Wertversprechen, die industrielle Dienstleistungen mit physischen und digitalen Elementen zu kundenorientierten Lösungen kombinieren", erklärt Prof. Dr.-Ing. Thomas Bauernhansl, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA in Stuttgart, sowie des Instituts für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb der Universität Stuttgart.

Durch die zunehmende Datentransparenz steige das Kundenverständnis. Maßgeschneiderte Lösungen über den gesamten Wertschöpfungsprozess könnten dann angeboten werden. Und neue Bezahlmodelle (zum Beispiel Pay per Part oder Pay per Productivity) sowie die damit einhergehende Verschiebung von Verantwortungsübergängen stärkten die Kundenbindung, ist sich Bauernhansl sicher. Durch Cross- und Up-Selling sei durch diese Geschäftsmodelle auch in gesättigten Märkten Wachstum möglich. Bauernhanls bringt es auf den Punkt: „Die neuen Wertangebote schaffen Differenzierung im globalen Wettbewerb."

DMG Mori und Trumpf nutzen datenbasierte Geschäftsmodelle

Und der Werkzeugmaschinen-Hersteller DMG Mori aus Bielefeld hat diese Erkenntnis bereits umgesetzt. Der Konzern liefert im Rahmen eines Angebots namens Payzr inzwischen Anlagen, die man rein nutzungsabhängig bezahlen kann. Das Akronym Payzr steht für Pay with zero risk. Der Kerngedanke des Abo-Geschäftsmodells ist es, Anwendern genau das zu geben, was sie benötigen und wann sie es brauchen.

Im Detail kann Equipment-as-a-Service so aussehen: Der Anwender bestellt, konfiguriert seine Maschinen im Onlinestore des Herstellers und erhält die Anlage dann gegen Zahlung einer monatlichen Grundgebühr. Diese kann je nach Konfiguration und Vertragslaufzeit (etwa 12, 24 oder 36 Monate) unterschiedlich ausfallen. Mit der Pauschale sind außerdem Wartungen, Service und Versicherungen abgedeckt. Zur Grundgebühr kommen die Kosten für die Maschinennutzung hinzu, die vom Hersteller über die geleisteten Arbeitsstunden ermittelt werden. Die Vorteile für den Anwender sind beim Modell „Nutzen statt Besitzen“ eine erhöhte Planungssicherheit durch Preis- und Kostentransparenz, sowie die Vermeidung langfristiger Investitionsausgaben, so dass Innovationszyklen beschleunigt werden können.

Auch der Maschinenbauer Trumpf SE + Co. KG aus Ditzingen, bekannt für seine Lasersysteme, setzt auf datenbasierte Innovationen. Das Unternehmen hat dazu ein digitales Geschäftsmodell namens „Pay Per Part“ geschaffen. Wie das im Detail funktioniert, erklärt Produktmanager Maximilian Rolle: „Bei diesem Geschäftsmodell bieten wir die reine Maschinennutzung von Laservollautomaten der Serie Trulaser Center 7030 an. Dabei steht die Anlage in der Fertigung des Kunden, aber das Trumpf Remote Control Center in Neukirch überwacht und steuert sie aus der Ferne.“ Auch bei der Programmierung und Einrichtung der Maschine unterstützen die Trumpf-Spezialisten. Der Kunde bezahle am Ende für die gefertigten Teile einen vorab garantierten Preis.

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Dieses Geschäftsmodell habe den Vorteil, dass der Kunde die Maschine im 3-Schicht-Betrieb laufen lassen könne, ohne zusätzliches Personal einzustellen. „Kommt es zu einer Störung oder einem Stillstand, schreiten wir sofort ein. Das steigert die Maschinenauslastung und erhöht die Produktivität", verspricht Rolle. Zudem seien die Experten von Trumpf in der Lage, das Maximum aus den Laservollautomaten herauszuholen. „Dadurch erhöht sich die Effizienz der Fertigung weiter", so der Produktmanager.

Einziges Manko: Die Branchenvertreter sind recht konservativ! Aber, so Rolle, es geht voran, mit dem Verständnis für die Vorteile.

Fehler durch größeres Verständnis für die Produktionsprozess vermeiden

Maschinendaten lassen sich auch nutzen, um Fehler in der Produktion schnell zu erkennen. Dazu betreibt die C-Com GmbH aus Aalen, eine Tochter der auf Präzisionswerkzeuge spezialisierten Mapal Gruppe, in einer Open-Cloud-Plattform kollaboratives Datenmanagement für Werkzeuge und andere Komponenten im Fertigungsumfeld. Damit will man erreichen, dass Unternehmen tiefe Einblicke in ihre Prozesse erhalten, um auftretende Probleme schneller lösen zu können.

Werden Produktionsdaten dabei in Echtzeit überwacht, lassen sich in den Datenströmen Anomalien erkennen. Und wenn die Daten auch noch im Kontext des gesamten Produktionsprozesses betrachtet würden, könnten die Analysen exakte Hinweise geben, welcher Produktionsfaktor – also etwa das Werkzeug, die Maschine oder das Rohmaterial – von der Norm abwichen.

Und die orausschauende Wartung, also etwa der Austausch von Verschleißteilen einer Maschine vor dem Auftreten eines Defekts, lässt sich den Softwarsysteme MitIot und Mindsphere von Siemens erreichen. Die Software speichert Betriebsdaten und macht sie über digitale Anwendungen zugänglich. Mindsphere kann man sich grob vereinfacht so vorstellen wie ein Betriebssystem auf dem Computer oder dem Mobiltelefon. Es verarbeitet die Rohdaten, die in den Produktionsmaschinen mit Sensoren erfasst werden und kann durch Analyse von Mustern erkennen, ob eine Maschine defekt ist, übermäßig viel Strom verbraucht oder bald gewartet werden muss.

Digitale Geschäftsmodelle müssen in puncto Datensicherheit fit sein

Digitale Geschäftsmodelle setzen Vertrauen voraus. Aber viele Unternehmen fürchten, die Hoheit über ihre Daten zu verlieren, wenn diese das Betriebsgelände verlassen und in die Cloud hochgeladen werden. Deshalb sind datenschutzkonforme Möglichkeiten gefragt, um die Ängste zu überwinden. Hier setzt das Projekt Gaia-X an. Ein europäisches Konsortium soll dabei die Grundlage für eine europäische Dateninfrastruktur schaffen, über die Unternehmen Daten vertrauensvoll zusammenführen, teilen und nutzen können. Es gibt großen Bedarf, denn fast die Hälfte aller Unternehmen ab 20 Beschäftigten (46 Prozent) in Deutschland haben in einer Bitkom-Umfrage angegeben, dass sie an der Nutzung von Diensten der europäischen Cloud- und Dateninfrastruktur interessiert sind.

Die Datenhoheit steht auch im Zentrum des Projekts Manufacturing-X, das einen geschützten industriellen Datenraum für Produktionstechnikhersteller bieten soll. Ein Konsortium aus SAP und deutschen Maschinenbauern entwickelt dazu eine Cloud-Plattform für die Fertigungsbranche, um den Informationsaustausch innerhalb eines dezentralen Datenraums mit exakt definierten Zugriffsrechten zu erleichtern. Im Zentrum steht die Idee, mit durchgängiger Datenvernetzung die Lieferketten transparenter und resilienter zu machen.

„In Lieferketten schaffen datenbasierte Geschäftsmodelle Transparenz, sodass Störungen frühzeitig erkannt und abgestellt werden können, was beispielsweise durch Remote-Service funktioniert", merkt Bauernhansl dazu an. In der Produktion steigerten „intelligente“ Algorithmen die Ressourcenauslastung, um Verschwendung zu vermeiden. Und um zum Beispiel den CO-Emissionen zu reduzieren, könnten diese Algorithmen unter anderem dafür eingesetzt werden, die Produktionsplanung an die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien anzupassen.

„Das Thema Datensicherheit sei bei digitalen Geschäftsmodellen enorm wichtig“, betont auch Rolle. Cloudlösungen bieten heute aus seiner Sicht den bestmöglichen Datenschutz. Und Trumpf stelle mit einer Datennutzungsvereinbarung sicher, dass der Anwender nur die relevanten und vereinbarten Daten teile. Das liefere die Voraussetzungen, dass Anwender selbst entscheiden könnten, welche Daten sie Trumpf bei der Nutzung digitaler Geschäftsmodelle zur Verfügung stellten. Manufacturing-X sei dabei eine mögliche Initiative, um diese Datensouveränität zu ermöglichen. Mittelfristig räumt Rolle ein, könnte es zu einem neuen Industriestandard führen.

Fazit: Deutschland braucht digitale Geschäftsmodelle

Rund 91 Prozent der deutschen Industrieunternehmen bezeichnen Industrie 4.0 als „unverzichtbar“, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, wie der IT-Branchenverband Bitkom vor rund einem Jahr ebenfalls ermittelt hat. Vor allem bei der Reduktion von Emissionen gibt es Potenzial. Rund 81 Prozent erwarten demnach einen Beitrag zu einer nachhaltigen Produktion.

Dabei setzt die deutsche Industrie auch darauf, dass sie ihren Wettbewerbsvorsprung im internationalen Vergleich – insbesondere mit Blick auf die USA und Anbieter in Fernost – halten oder ausbauen kann. „Mit Bezug auf serviceorientierte Geschäftsmodelle haben wir in Deutschland durch tiefes Kundenverständnis, die sehr hohe Engineering-Kompetenz, Kreativität und Problemlösungsexpertise immer noch einen Vorteil“, registriert Bauernhansl. Die vielen Hidden Champions in Deutschland mit ihrem stark wachsenden Leistungsangebot an neuartigen Werteversprechen seien der beste Beweis dafür. Und Initiativen wie Gaia-X, Catena-X oder neuerdings auch Manufacturing-X helfen flankierend, den Wettbewerbsvorsprung beibehalten zu können. Bauernhansl gibt abschließend zu bedenken: „Aktuell haben wir diesen Vorsprung noch, jedoch spüren wir den heißen Atem der internationalen Konkurrenz bereits im Nacken – Umsetzungsgeschwindigkeit und Mut für Neues sind also wichtiger denn je!“

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