Stanzen Präzisionsstanzflansche – damit es mit dem Anschluss stimmt

Autor / Redakteur: Dietmar Kuhn / Dietmar Kuhn

„World of Flange“ – das war das ungewöhnliche Konzept, mit dem sich die Carl Wüst GmbH & Co. KG aus dem schwäbischen Remshalden auf der Blechexpo 2009 präsentierte. Damit wurde das Programm an Stanzflanschen in künstlerischer Art vorgestellt, welche in der Automobilindustrie und dort vorrangig bei Abgassystemen angewendet wird. Produziert wird nach dem von Wüst entwickelten Präzisionsstanzverfahren.

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Dumpfer Sound dringt aus verschiedenen Richtungen an mein Ohr. Wechselweise und doch gleichmäßig hört man die schweren Stanzpressen – meist Marke Schuler – ihre Arbeit verrichten. Mit jedem Hub fällt ein fertiger Stanzflansch in einen entsprechenden Behälter.

Wüst auf Stanzflansche spezialisiert

Ort des Geschehens ist die Produktion bei der Carl Wüst GmbH & Co. KG in Remshalden. Dipl.-Ing. Hermann Bachmann, Geschäftsführer des Flanschenproduzenten erklärt: „Wir sind der Flanschenhersteller unter den Stanzern. Sicher gibt es im Stanzbereich zahlreiche Unternehmen, aber das Thema Stanzflansche ist das zentrale Thema bei Carl Wüst.“

Das Unternehmen Carl Wüst kann auf eine lange, traditionsreiche und bewegte Geschichte zurückblicken. Bereits 1895 vom Namensgeber des Unternehmens gegründet, startete man in Fellbach zunächst mit der Herstellung von Metallprodukten für den Stahl- und Anlagenbau. Schon bald wurde die Richtung Automobilindustrie eingeschlagen.

Präzision und Zuverlässigkeit haben sich die Remstaler Schwaben schon immer auf die Fahne geschrieben. Es kommt deshalb auch nicht von ungefähr, dass das Unternehmen das Präzisionsstanzen entwickelt hat.

Seit 2007 hat Carl Wüst seine Gründerstätte in Fellbach verlassen und fertigt die Flansche im nahe gelegenen Remshalden. „In Fellbach waren wir mittlerweile in einer reinen Wohngegend angekommen und hatten keinerlei Expansionschancen mehr“, sagt Bachmann. Mit über 6000 m2 Produktions- und Verwaltungsfläche ist vorerst genug Platz, um mit einer modernen und logistisch ausgeklügelten Fertigung die Kunden in der Automobil- und Zulieferindustrie bestens zu bedienen.

Stanzflansche gehen einbaufertig an den Kunden

Wo der Schwerpunkt der Carl-Wüst-Produktion liegt, das erläutert Bachmann folgendermaßen: „Es gibt im Grunde genommen drei Flanschtypen, die für unsere Anwendungen in Frage kommen: den Schmiedeflansch, den Blechumformflansch und den Stanzflansch. Wir bieten derzeit ausschließlich Stanzflansche aus der Eigenfertigung an.“ Diese werden vom Rohmaterial ausgehend verarbeitet und als einbaufähige Produkte an den Kunden geliefert.

Dieses Rohmaterial ist gespaltenes Streifenmaterial, also Flachmaterial in unterschiedlichen Dicken, meist aber zwischen 6 und 12 mm, in Sonderfällen auch bis 15 mm. Bislang wurde dieses gespaltene Material über ein spezielles Magazin der Stanzpresse vereinzelt zugeführt.

„In Zukunft“, so Bachmann, „werden wir die Präzisionsflansche aber auch vom Coil direkt ins Werkzeug fahren können.“ Die Entscheidung für die Investition in entsprechende Coilanlagen ist bei Bachmann bereits in der Endphase angekommen.

Optimale Materialaufteilung beim Stanzen wichtig

Egal in welcher Form das Material (Flachstahl) der Stanze zugeführt wird, „es kommt immer auf eine optimale Aufteilung des Werkstücks an, um möglichst wenig Verschnitt zu haben“, bemerkt Hermann Bachmann, „denn da liegt oft das entscheidende Einsparpotenzial, um auf dem Markt kostengünstig anbieten zu können.“

Das Material selbst spielt auch eine entscheidende Rolle. Carl Wüst kauft seine Kontingente als sogenannte Streckengeschäfte bei einem Stahl-Service-Center ein und achtet dabei genauestens auf die Werkstoffzusammensetzung. „Die“, so Bachmann, „ist für uns sehr wichtig, weil davon auch die Stanzergebnisse im Wesentlichen abhängen.“

Das Präzisionsstanzen, das wie gesagt bei Carl Wüst entwickelt wurde, ist im Allgemeinen einfach zu erklären. Vom Streifenmaterial werden die Flansche mit möglichst wenig Abfall ausgestanzt. Das macht man in Remshalden beispielsweise auf einer 800-t-Presse. Heraus kommt die fertige Flanschform mit den gestanzten Schraubenlöchern und dem Mittelloch. „Die Außenkontur“, so Bachmann, „ist in diesem Falle nicht relevant, sie hat keinerlei Funktion.“

Flansch-Mittelloch muss gute Stanz-Qualität haben

Worauf es aber ankommt, ist die Position der Löcher untereinander – also auf das Lochbild – und auf die Qualität der Stanzfläche des Mittelloches. Diese wird durch Nachstanzen – eben das Präzisionsstanzen – erreicht. Dieses Präzisionsstanzen findet bei Wüst auf einer nachgelagerten kleineren Stanzpresse statt.

Dabei beherrscht man in Remshalden das Geheimnis die Stanzfläche so zu gestalten, wie es nach den Anforderungen des Kunden gewünscht oder dem Einsatzzweck gerecht wird. Dieses Geheimnis ist Hermann Bachmann im Detail doch nicht zu entlocken.

Auf jeden Fall setzt der schwäbische Unternehmer auf das Präzisionsstanzen wüstscher Art und nicht auf das Feinstanzen. „Zwar ist das Feinstanzen in aller Munde“, so Bachmann, „und jeder setzt bei entsprechend dickem Material auf das Feinstanzen, doch wir sagen, bei ähnlichen Ergebnissen ist uns das zu teuer.“

Warum das so ist, rechnet Bachmann in einem einfachen Beispiel vor: „Nehmen wir mal eine 800-t-Feinstanze, mit der man in der Regel letztendlich nur zwei Drittel der Stanzkraft zur Verfügung hat, weil man dabei immer gegen das Hydraulikkissen stanzt. Dann haben wir etwa 550 t zur Verfügung. Eine solche Anlage liegt inklusive einer Coilanlage heute locker bei 2 Mio. Euro Investition. Mit einer normalen mechanischen 800-t-Presse liegen wir dagegen bei etwa Faktor 0,5 bis 0,6, also rund der Hälfte der Kosten einer reinen Feinstanzpresse.“ Was das Werkzeug angeht, so liegt man bei Carl Wüst und beim Präzisionsstanzverfahren bei den gleichen Standzeiten wie die Feinstanzer.

Millionen Stanzflansche pro Jahr gefertigt

Carl Wüst fertigt so pro Jahr viele Millionen Stanzflansche im Präzisionsstanzverfahren. Die meisten dieser Flansche kommen in den Abgassystemen der bekannten Automarken, wie etwa Volkswagen, Audi, BMW und Mercedes, zum Einsatz. Sie werden in der Regel aus dem Edelstahl 1.4301 hergestellt und sorgen dafür, dass dort eine gasdichte Verbindung gewährleistet ist.

Dementsprechend sind die Verbindungsflächen der Flansche durch Schleifen bearbeitet. „Wir können Rauhtiefen bis Rz größer oder gleich 10 µm prozesssicher herstellen, auch bei Edelstahl“, sagt Bachmann in diesem Zusammenhang.

Schraubenbolzen als Verbindungen gehören zu den Stanzflanschen dazu

Auch die Verbindungen in Form von Schraubenbolzen gehören zu den Leistungen von Carl Wüst. Für die richtige Positionierung werden entsprechende Lehren beziehungsweise Montagehilfen verwendet. Fertig und sicher verpackt erreichen die qualitativ hochwertigen und einbaufertigen Präzisionsflansche den Kunden. Mit derzeit etwa 50 Mitarbeitern erzielt der schwäbische Automobilzulieferer einen Umsatz von rund 10 Mio. Euro.

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