Stahlwerkstoffe Salzgitter Mannesmann Forschung nimmt Hightech-Werkstoffe unter die Lupe
Die Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH gilt heute als zentrales Forschungsunternehmen des Salzgitter Konzerns. Jetzt hat die Forschungs-GmbH in das Technikum Salzgitter kräftig investiert um Hightech-Werkstoffen aus Stahl die letzten Geheimnisse zu entlocken.
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Stahl gilt schon bei weitem nicht mehr als ein gewöhnlicher Rohstoff, sondern vielmehr als ein Hightech-Werkstoff. Zu den Impulsen aus der Grundlagenforschung haben auch veränderte Kundenanforderungen den Innovationsprozess bei hochqualitativen Stählen und Stahlprodukten stark angeschoben. Diesen Wissens- und Wettbewerbsvorteil möchte man bei der Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH ausbauen.
Im Einzelnen zählen dazu die Entwicklung neuer Werkstoffe und Anwendungsfelder, Prozesse zur Herstellung, Verarbeitung und Anwendung von metallischen Werkstoffen, Material- und Bauteilcharakterisierung einschließlich Prüfverfahren, Anwendungstechnik von der Bauteilauslegung über die Umformtechnik bis zur Fügetechnik, die Obeflächentechnik sowie die Automatisierungs- und Prüftechnik.
Eigens dafür haben die Stahlforscher in das Technikum in Salzgitter mit 11 Mio. Euro kräftig investiert, wodurch Salzgitter auch die Stellung als Premiumanbieter von Stahlwerkstoffen deutlich machen will. „Forschung und Entwicklung“, so Dr. Wolfgang Leese, Vorstandsvorsitzender der Salzgitter AG, „bilden für unseren Konzern eine wesentliche Basis für die Gesamtstrategie als erfolgreicher Nischenplayer zu agieren.“
Das neue Technikum, das im November 2007 mit mehreren Veranstaltungen und im Beisein zahlreicher geladener Gäste seinem Betrieb übergeben wurde, bildet demnach einen Kernbereich der Salzgitter Mannesmann Forschung (SZMF), die als 100-prozentige Konzerntochter die zentrale Forschungs- und Entwicklungsabteilung ist. Für die rund 11 Mio. Euro wurden in erster Linie Großgeräte angeschafft und die Infrastruktur entsprechend angepasst. „Damit haben wir in der anwendungsorientierten Forschung und Entwicklung für Stahl jetzt europaweit eine führende Position“, sagt Prof. Dr. Matthias Niemeyer, Geschäftsführer der SZMF.
Neue Stahlwerkstoffe sollen schneller entwickelt werden
Das neue Technikum soll wesentlich dazu beitragen, neue Stahlwerkstoffe schneller zu entwickeln und die Prozesse zu optimieren. Somit können künftig die Produkteinführungszeiten erheblich verkürzt und robuste Serienprozesse bei den Kunden unterstützt werden. Niemeyer betont in diesem Zusammenhang: „Wir müssen uns nicht nur rechtzeitig auf die Märkte von morgen richtig einstellen, sondern sie zum Teil mitgestalten. Künfitg wird deshalb auch der Aspekt der Prozess- und Produktentwicklung noch weiter in den Vordergrund gestellt. Dazu stellt das Technikum ein entscheidender Baustein dar.“
Um den Anforderungen gerecht zu werden wurde das Technikum vor allem mit neuen Maschinen und Anlagen ausgestattet. Eines der Highlights ist ein neues Versuchswalzwerk, das eine komplette Darstellung der Prozesskette vom Warmband zum feuerverzinkten Kaltband ermöglicht. Damit können die im Werkstoff ablaufenden Vorgänge exakt abgebildet werden.
Sehr weiche bis hochfeste Stähle können kaltgewalzt werden
Verschiedene Anlagenkonfigurationen erlauben es, sowohl sehr weiche, als auch extrem feste Stähle kalzzuwalzen, kalt nachzuwalzen oder zu dressieren. Die Gesamtumformgrade entsprechen dabei denen der Tandemstraße der Salzgitter Flachstahl GmbH und können darüber hinaus gehen. Die kaltgewalzten oder dressierten Proben werden geprüft und labortechnisch weiterverarbeitet. Das Walzen höchstfester Stähle zu Streckgrenzen von 1500 MPa mit hohen Kaltwalzgraden und unter Bandzugspannungen ist möglich.
Der Kunde profitiert von der betriebsnahen Werkstoff- und Prozessentwicklung, von der Verarbeitung sehr kleiner Losgrößen unter Kaltwalzbedingungen sowie von der Zeit- und Kosteneffizienz.
Desweiteren wurde in einen Schmelztauchsimulator für die Oberflächentechnik sowie einen Glühsimulator investiert. Das Glanzstück jedoch findet sich in einer neuen Umformpresse - einer Dieffenbacher Impress mit 1000 t Presskraft.
Umformpresse für hochfeste Stähle ohne Stick-Slip
„Eigentlich sieht diese Impress aus wie eine ganz normale Presse. Doch für die Salzgitter-Mannesmann-Forschung muss sie über weit mehr Fähigkeiten verfügen, als nur zu pressen – das waren die Anforderungen“, sagt Dr. Florian Luginger, als Projektleiter bei Dieffenbacher für die Salzgitter-Umformpresse verantwortlich.
Eine Forschungspresse mit analytischen Fähigkeiten ist für die Forscher der SZMF eine Grundvorraussetzung, da die Anlage vorrangig für Materialtests von hochfesten Stählen, deren Streckgrenze jenseits von 1200 N/mm² liegen, eingesetzt wird. Zur Durchführung solcher Normprüfungen stellt sich die geregelte, konstante Minimalgeschwindigkeit von 1 mm/s der hydraulischen Dieffenbacher High-Speed Presse als äußerst vorteilhaft dar – und das ohne Stick-Slip (sprich rattern).
Mit einem Hub von 1000 mm, einer Tischgröße von 2500 × 1300 mm ist die Presse außer für Materialtests vor allem für die Erprobung höchstfester Stähle unter realen Bedingungen mit Kundenwerkzeugen und in Warmumformversuchen geeignet. „Für einen Automobilkunden, der Teile seiner Crash-relevanten Blechbauteile warm umformt (statt höchstfeste Stähle kalt umzuformen), haben wir die Möglichkeit geschaffen, das hier bei uns zu testen“, erzählt Ansgar Geffert von der SZMF.
Umformpresse bietet geregelte Stößelgeschwindigkeit von 500 mm/s
Die hohe geregelte Stößelgeschwindigkeit von 500 mm/s kommt hier bei der Warmumformung besonders vorteilhaft zum Tragen, da die Werkzeuge sehr schnell geschlossen werden müssen. „Die Maschine ist schnell, intuitiv und einfach zu bedienen. Das ist bei uns enorm wichtig, weil wir uns bei den Versuchen auf ganz andere Dinge konzentrieren müssen, als auf die Bedienung der Presse“, sagt Geffert. Die Maschinensteuerung, deren Herz die Maschinen-, Analyse und Simulationssoftware ist, wurde von Dieffenbacher entwickelt und kundengenau realisiert.
An zusätzliche, an der Presse installierte digitale und analoge Ein- und Ausgänge kann Messequipment (Werkzeuge) zu Diagnosezwecken angeschlossen werden. Die Signale können mit dem Dieffenbacher Analyse System Analyze-it aufgezeichnet und ausgewertet werden. Für weitere Analysen der Versuchsergebnisse können die Daten schnell und einfach in ein Excel-Sheet exportiert werden.
Ziehkissen für Aktiv-Ziehen und Passiv-Ziehen einsetzbar
Zudem besitzt die Presse ein Ziehkissen, das sowohl zum Aktiv-Ziehen als auch zum Passiv-Ziehen eingesetzt werden kann. Da heute Umformvorgänge oftmals komplex sind, ist ein Passiv-/Aktiv-Ziehkissen ein klarer Vorteil, wenn für Tiefziehoperationen etwa von unten aus dem Pressentisch ein Stempel mit einer Geschwindigkeit von 500 mm/s nach oben gefahren werden kann, der immerhin eine Umformkraft von 5000 kN und der Stößel als Blechhalter 10000 kN aufbringt. Zudem lässt sich, um Auftreffschläge zu vermeiden, das Ziehkissen vorbeschleunigen und verfügt über einen maximalen Hub von 300 mm.
Der High-Speed-Antrieb der Presse ermöglicht die Simulation der Kinematik mechanischer Pressen. Die Erstellung des Simulationsprogramms für die Kinematik der Pressen, welche beim Endkunden im Presswerk stehen, ist sehr einfach und von der Pressensteuerung bedienergeführt. Die Simulationsmöglichkeit vieler Pressen hat für die Forscher von SZMF zahlreiche Vorteile. So ist die Salzgitter-Mannesmann-Forschung in der Lage, nicht nur Ihre Werkstoffe zu testen, sondern sogar den Tryout von Kundenwerkzeugen zu übernehmen. Selbst die Produktion von Kleinserien ist mit dem Speicherantrieb, der für eine Speicherladezeit von 25 s ausgelegt ist, ohne weiteres möglich.
Aufgrund der umfassenden und fundierten Erfahrung beim Bau von Highspeed – Tryout Pressen konnte Dieffenbacher diese sehr hoch gesteckten Ziele der Salzgitter Mannesmann Forschung GmbH sogar noch toppen. Alle Steuerungsparameter wurden übererfüllt. Somit bestehen auch in Zukunft für die Forscher aus Salzgitter noch Reserven.
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