Beschichten So gelingt das Härten von nichtrostenden Stählen

Redakteur: Juliana Pfeiffer |

110 Jahre werden nichtrostende Stähle schon angewandt. Sie haben sich in vielen Bereichen bewährt. Durch eine geeignete Wärmebehandlung lässt sich ihr Anwendungsgebiet nochmals deutlich erweitern.

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Beim Hard-Inox-S, dem Niedertemperatur-Nitrocarburieren, weist die Diffusionszone einen Härtegradienten auf und ist bis zu 30 µm dick.
Beim Hard-Inox-S, dem Niedertemperatur-Nitrocarburieren, weist die Diffusionszone einen Härtegradienten auf und ist bis zu 30 µm dick.
(Bild: Härterei Gerster)

Mit der Industrialisierung im 19. Jahrhunderts wurden immer häufiger auch aggressive Medien wie Säuren und chlorhaltige Medien verarbeitet. Die Forderung nach beständigeren Metallen wurde drängend. In den Krupp-Werken in Essen wurde intensiv geforscht. 1912 wurden die „Versuchsschmelze 2 Austenit“ und „Versuchsschmelze 4 Austenit“, besser bekannt als V2A und V4A, als Legierungssysteme definiert und zum Patent angemeldet. Der Name für den Stahl kommt übrigens daher, dass man damals versuchte, austenitische Stahlsorten durch eine Legierung von Eisen, Chrom und Nickel herzustellen. So steht das „V“ für Versuch und das „A“ für Austenit. Die V2A Stähle sind mit Chrom und Nickel legiert, bei V4A kommt noch das Element Molybdän hinzu. Noch heute werden unter diesen Begriffen nichtrostende Stähle bezeichnet, die höheren Anforderungen an die Korrosionsbeständigkeit entsprechen.

Weniger Kohlenstoff, dafür mehr Nickel

Diese Stähle wurden in vielen Bereichen angewandt: im Hausbau, in der Schifffahrt, in chemischen Anlagen bis zu medizinischen Instrumenten und Haushaltsbestecken. Heute wird V2A in seiner ursprünglichen Variante nicht mehr hergestellt. Seine Werkstoffnummer ist 1.4300, die Legierungskennung X12CrNi18-8. Diese Bezeichnung bedeutet, dass der Stahl weniger als 0,12 Prozent Kohlenstoff, 17 bis 19 Prozent Chrom und 7 bis 9 Prozent Nickel enthält. Dazu kommen noch andere Elemente, wie z. B. Schwefel, Mangan oder Phosphor.

Heute enthalten V2A-Stähle deutlich weniger Kohlenstoff, dafür aber mehr Nickel. V2A ist ein häufig verwendetes Material, das sich relativ gut verarbeiten und polieren lässt. Über 50% aller Edelstähle kann man dieser Gruppe zuordnen und zahlreiche rostfreie Haushaltsgegenstände sind daraus gefertigt: Spülbecken, Geländer und Besteck sind nur einige Beispiele für die vielfältige Verwendung dieses Werkstoffes. Weil V2A gegen Chloride nicht beständig ist, wurde der Werkstoff V4A mit rund zwei Prozent Molybdän aufgewertet. Er ist korrosionsbeständig und wird in Schwimmbädern, Salzwasser und in der chemischen Industrie eingesetzt. Er ist, wie V2A auch, gut kalt umformbar. Er kann gebogen, tiefgezogen und auch gestanzt werden.

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Das Problem der Verschleiß- und Fressbeständigkeit

Bei allen Vorteilen, den diese Stähle dem Konstrukteur boten und bieten, blieb jedoch ein Problem bestehen: Diese Stähle weisen ein austenitisches Gefüge auf. Sie waren daher weich und ließen sich nicht härten. Diese mangelnde Härte machte sie anfällig gegen Verschleiß- und Fresserscheinungen. Das ist widerrum für viele technische Anwendungen ein echter Nachteil.

Mit der Entwicklung von martensitischen Stählen und Duplex-Stählen waren nichtrostende Stähle zwar korrosionsbeständiger – aber nicht verschleißbeständiger.

Härten nichtrostender V2A- und V4A-Stähle

Keine der gängigen und häufig genormten Wärmebehandlungen für nichtrostende Stähle brachten eine Lösung. Eher zufällig wurde in den 1980er Jahren entdeckt, dass nichtrostende Stähle der V2A- und V4A-Familien bei vergleichsweise tiefen Behandlungstemperaturen auf eine sehr spezielle Wärmebehandlung ansprechen: dem Nitrieren bzw. Nitrocarburieren. Dabei nimmt die Randschicht des nichtrostenden Stahls große Mengen an Stickstoff und/oder Kohlenstoff auf. Eine Diffusionszone hoher Härte im Randbereich entsteht. Diese wird als ausgedehnter Austenit bezeichnet – häufig wird auch von S-Phase gesprochen. Die Behandlungstemperatur bei solchen Prozessen liegt so tief, dass sich in der Diffusionszone keine für die Korrosionsbeständigkeit schädlichen Ausscheidungen, wie Chromnitride oder Chromkarbide, bilden.

Harte Diffusionszone macht Austeniten verschleißbeständiger

Mit dem Hard-Inox-S, dem Niedertemperatur-Nitrocarburieren hat die schweizerische Härterei Gerster ein Verfahren entwickelt, bei dem die Diffusionszone einen Härtegradienten aufweist und ist bis zu 30 µm dick ist. Dabei liegt die Oberflächenhärte deutlich über den Werten, die bei Austeniten durch eine Kaltverformung erreichbar sind. Es werden Härten bis 1.200 HV0.1 gemessen.

Diese harte Diffusionszone im Randbereich macht Austeniten verschleißbeständiger, insbesondere gegen abrasiven Verschleiß.

Verzahnungsteile in der Mikrotechnik

Vor allem bei Getrieben in einem chemisch aggressivem Umfeld, wie in der Mikroantriebstechnik, werden korrosionsbeständige Verzahnungsteilen eingesetzt. Dabei sind die tribologischen Beanspruchungen, die auf die Zähne solcher Bauteile einwirken, bekannt:

  • Reibkontakt, was zu einem Zahnverschleiß und Fresserscheinungen führen kann.
  • Herztsche Spannungen, die die Grübchenbildung (Pitting) begünstigen.

In solchen Fällen hat sich Hard-Inox-S bewährt. Die ca. 20 µm dicke Diffusionszone im Randbereich verhindert Abrasion und reduziert die Gefahr des Fressens.

Edelstahl-Schrauben neigen zum Fressen

Edelstahl-Schrauben aus austenitisch nichtrostendem Stahl neigen auch im kaltverfestigten Zustand zum Fressen. Solche Schraubverbindungen lassen sich manchmal nur noch sehr schwer lösen. Es kann vorkommen, dass die Schraube herausgebohrt werden muss. Eine Behandlung mit Hard-Inox-S beispielsweise verschiebt aufgrund der hohen Härtedifferenz der Schraubengewinde zum Gegengewinde ein mögliches Fressen zu sehr viel höheren Spannungen und Kräften.

Selbstschneidende Schrauben aus nichtrostendem Stahl können soweit gehärtet werden, dass die teure Verknüpfung mit einer Spitze aus Schnellarbeitsstahl wegfällt. Eine mit Hard-Inox-S gehärtete Schraubenspitze und die harten Gewindegänge ermöglichen ein direktes Einschrauben in den Gegenkörper.

Oberflächenhärte bei Rohrverbindungselementen

Schneidringverschraubungen werden als flüssigkeitsdichte Verbindungstechnik von Rohren für den Einsatz bei höchsten Drücken eingesetzt. Je nach Medium sind sowohl Rohre als auch Verschraubungen aus nichtrostendem Edelstahl. Einerseits müssen sich die Schneidringe beim Anziehen der Verbindung an das Rohr anschmiegen und deshalb ein gewisses Formveränderungsvermögen besitzen. Andererseits müssen die Schneidkanten in das Rohr eindringen, um eine Dichtung zu bewirken. Für eine ausreichende Oberflächenhärte sorgt eine Hard-Inox-S-Behandlung einer austenitischen V4A-Qualität.

Einsatz in verschleißenden Systemen

Werden nichtrostende austenitische mit Hard-Inox-S gehärtet:

  • lässt sich die Beständigkeit gegen abrasiven Verschleiß deutlich verbessern.
  • wird die Fressneigung aufgrund der großen Oberflächenhärte reduziert.
  • wird die Korrosionsbeständigkeit nicht wesentlich beeinflusst und bleibt generell auf dem hohen Niveau des Ausgangsmaterials.

Damit erweitern Wärmebehandlungen wie Hard-Inox-S das Anwendungsfeld von nichtrostenden Stählen erheblich. Somit können sie auch in verschleißenden Systemen eingesetzt werden. (jup)

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