Interview Stahl – die richtige Lösung für den automobilen Leichtbau
Leicht, leichter, am leichtesten ist die Devise im Automobilbau. Dabei darf aber vor allem die Sicherheit von Insassen und Fußgängern nicht leiden. Was Stahl dabei tun kann, erklärt Chris Wooffindin, Product Marketing Manager Chassis & Suspension bei Tata Steel im Gespräch mit Blechnet.
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Das Interview führte Blechnet-Redakteurin Frauke Finus
Herr Wooffindin, wie sehen die Werkstofftrends für das Auto der Zukunft aus?
In letzter Zeit rücken die Fahrzeugemissionen und Zielvorgaben zur CO2-Reduktion immer mehr in den Fokus. Beim Downsizing von Motoren ist ein leichteres Fahrzeuggewicht ausschlaggebend für die gleichbleibende Fahrleistung. Bei batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen sorgt eine Leichtbau-Karosserie dafür, dass auf große, schwere Akkus verzichtet werden kann. Diese Faktoren haben dazu geführt, dass eine Fülle an neuartigen Werkstoffen in modernen Fahrzeugen eingesetzt wird. Beispielsweise hat die Stahlindustrie Stähle mit einer Festigkeit von mehr als 1500 MPa entwickelt, also die Festigkeit konventioneller Stahlsorten verdreifacht, um den Leichtbau von Bauteilen voranzutreiben. Mit den richtigen Verarbeitungstechnologien kann das Potenzial des verwendeten Werkstoffs noch besser ausgeschöpft werden, beispielsweise durch Walzprofilierung, Innenhochdruckumformung, flexibel geschweißte oder gewalzte Bleche, Extrusion oder Präzisionsgießen.
Was sind die Herausforderungen beim Werkstoff Stahl?
Für den Werkstoff Stahl gibt es vor allem zwei Herausforderungen. Die erste hängt mit dem Bedarf an höherfesteren Stählen zusammen, mit denen gleichzeitig die Fahrzeugsicherheit weiter erhöht und das Gewicht des einzelnen Bauteils gesenkt werden kann. Die höherfesten Stahlsorten sind häufig weniger gut formbar und schwieriger zu schweißen. Die Stahlindustrie und auch wir bei Tata Steel reagieren darauf, indem wir neue, ultrahochfeste Stahlfamilien entwickeln, die sich durch ein verbessertes Umformverhalten sowie eine reinere chemische Zusammensetzung für bessere Schweißbarkeit auszeichnen.
Die zweite Herausforderung besteht darin, Lösungen für nichttragende Fahrzeugkomponenten zu entwickeln, bei denen es auf die Steifigkeit ankommt. Dabei gibt es in der Stahlbranche zwei verschiedene Lösungsansätze: Der erste Ansatz setzt vermehrt auf Verarbeitungstechnologien. Flexibel geschweißte Bleche ermöglichen es zum Beispiel, verschiedene Kombinationen aus Stahlgüte und -dicke in einem einzigen Formteil zu realisieren. Bei dem zweiten Ansatz werden aktuell neue Stahlsorten mit einer höheren spezifischen Steifigkeit entwickelt, die durch eine geringere Stahldichte oder eine Erhöhung der Steifigkeit des Stahls (Young‘s Modulus) erzielt wird.
Was müssen neue Stähle leisten können?
Der Bedarf, neue höherfeste Stähle zu entwickeln, mit denen Leichtbauziele erreicht werden können, hält ungebrochen an. Wir bei Tata Steel sehen allerdings, dass vor allem höherfeste Stähle mit einer verbesserten Umformbarkeit stark gefragt sind. Denn die erste Generation dieser fortschrittlichen hochfesten AHSS-Stahlsorten bot zwar die von den Konstrukteuren geforderte Festigkeit, nicht jedoch das nötige Umformverhalten für die Verarbeitung. Daher haben wir unsere Hyper-Form-Stahlsorten entwickelt, die sich durch die gewünschte Balance aus Festigkeit und Umformbarkeit auszeichnen. Aber nicht nur höherfeste Stähle werden in der Zukunft eine Rolle spielen. Unsere Partner in der Automobilindustrie wollen sich auch beim Design voneinander unterscheiden. Tata Steel hat deshalb neue Produkte entwickelt, die speziell das Erscheinungsbild des Fahrzeugs verbessern können. Mit unserer neuen hochformbaren, feuerverzinkten Stahlsorte DX57-GI Hyper Form zum Beispiel können Fahrzeughersteller jetzt markante Außenhautteile gestalten.
Wie gehen Sie als Stahlhersteller auf den Trend zum Leichtbau ein?
Wir bei Tata Steel sind der Meinung, dass Stahllösungen dabei helfen können, die optimalen Leichtbau-Designs zu entwickeln. Und zwar Lösungen, die für die vom Fahrzeughersteller gewünschte Balance aus Performance, Gewicht und Kosten sorgen. Beispielsweise haben wir für unsere Kunden aus der Automobilindustrie unseren TCO Scan entwickelt, einen fortschrittlichen Service, mit dem wir für einen neuen Stahl das konkrete Einsparpotenzial für die Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership = TCO) in den kundeneigenen Verarbeitungsprozessen und Anwendungen identifizieren und quantifizieren können.
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