Schraubtechnik Weg mit diesen fünf Mythen aus der Verschraubungswelt!
Schrauben kennt jeder, auch, wie man sie anwendet. Dennoch geistern diverse Binsenweisheiten zu Verschraubungen durch die Industrielandschaft. Experten sorgen jetzt dafür, dass einige davon ausgemerzt werden.
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Rechtsrum zu, linksrum auf – mehr muss man über Schrauben nicht wissen, so die allgemeine Einschätzung. Selbst erfahrene Facharbeiter, Techniker und Konstrukteure verharren oftmals in diesem riskanten Irrglauben und unter Umständen kostspieligem Unwissen. Weiterbildung tut deshalb Not. Das verlangt auch die Richtlinie VDI/VDE-MT 2637.
Wie weit verbreitet einige potenziell durchaus gefährliche Mythen in Sachen Verschraubungstechnik in der Arbeitswelt sind, veranschaulicht diese komprimierte Gegenüberstellung populärer „Dichtung“ und wissenschaftlich fundierter Wahrheiten über Schraubverbindungen.
Mythos 1: Große Schrauben sollen fester verbinden
Der erste Mythos, dem wir uns widmen, ist die falsche Annahme, dass je größer die Schraube ist, die man nimmt, umso fester die Verbindung werden sollte. Die Wirklichkeit schaut so aus: Viele Standardschraubverbindungen werden teilweise mit nur 50 % oder weniger ihrer maximal ausnutzbaren Streckgrenze montiert. Montageverfahren, wie beispielsweise das Drehmoment-Drehwinkelverfahren oder die streckgrenzgesteuerte Verschraubung, ermöglichen hohe Vorspannkräfte mit sehr guter Präzision.
Die Auslastung der Schraube erreicht damit den quasi optimalen 100-%-Wert. Der große Vorteil bei dieser Herangehensweise ist, dass Schraubverbindungen so auch kleiner dimensioniert werden können. Das spart Platz, Geld, Energie und schont die Umwelt, denn weniger Material bedeutet auch weniger Gewicht im Gesamtsystem. Zusätzlich erhöht eine korrekt dimensionierte Schraubverbindung die Sicherheit der Verbindung.
Mythos 2: Gleiches Drehmoment heißt gleiche Festigkeit
Irrglaube Nummer zwei betrifft den Mythos, dass man mit dem gleichen Drehmoment bei der Verschraubung stets auch gleich feste Verbindungen schaffe. In Wirklichkeit werden Schrauben im Hinblick auf die Vorspannkraft berechnet. Für die korrekte Berechnung sind beispielsweise der Schraubenwerkstoff, der Durchmesser, die Gewindesteigung und die zu erwartenden Reibungskräfte bei der Montage zu berücksichtigen.
Das Drehmoment ist dabei allenfalls das Mittel zum Zweck. Die ausschlaggebende Bedingung ist in der Praxis nämlich die Reibung. Weicht die Reibung in der Realität zum Beispiel durch eine Rostschicht nach oben oder durch Schmierstoffeinflüsse vom berechneten Reibungskoeffizienten nach unten ab, resultieren daraus große Unterschiede bei der existierenden Vorspannkraft in der Verbindung, obwohl man das gleiche Drehmoment beim Anziehen erreicht hat.
Mythos 3: Schrauben und Muttern sind stets mehrmals nutzbar
Der dritte falsche Gedanke im Spiel der Verschraubung ist, dass man Muttern und Schrauben immer mehrmals montieren und demontieren könne. Dazu ist anzumerken, dass demontierte Schraubverbindungen von einem Monteur nur optisch oder mechanisch (Mutter auf den Schraubenbolzen drehen) auf ihre Einsatzfähigkeit hin überprüft werden können. Ob diese einmal bereits im überelastischen Bereich montiert waren, lässt sich auf diese Weise aber nicht beurteilen. Auch Oberflächenrauigkeiten in den Gewindeflanken, feine Risse oder eine beginnende Materialermüdung sind mit bloßem Auge nicht erkennbar.
Vor der Überprüfung einer Verschraubung müssen die beteiligten Verbindungselemente auch penibel gereinigt werden. Alle Rückstände des alten Schmierstoffes sowie Farbe oder Korrosionsrückstände müssen dazu professionell entfernt werden, und das nicht nur beim Schraubenbolzen, sondern auch in der Mutter. Das gelingt in der Praxis oft nicht oder nur schlecht, weil geeignete Reinigungswerkzeuge meist nicht vorhanden sind oder nur mit einer Drahtbürste, Reinigungstüchern und Lösungsmitteln gearbeitet werden kann.
Mythos 4: Mit Öl schraubt man besser
Viele sind der irrigen Meinung, dass gut geölte Verschraubungskomponenten leichter zu montieren sind, als wenn man sie im trockenen Zustand belässt. Öl ist als montageunterstützender Schraubenschmierstoff bei großen Schrauben oder geringer Montagedrehzahl aber oftmals ungeeignet. Der Grund dafür erklärt sich aus der Mechanik: Die hohen Flächenlasten beim Verschraubungsprozess verdrängen das Öl aus der Schmierstelle. Durch die fehlende Relativgeschwindigkeit können die Reibpartner nicht auf einem Ölfilm aufgleiten und die Schmierleistung ist folglich nicht gegeben.
Eine Erhöhung der Reibung und die punktuelle Überlastung des Schraubenwerkstoffes gehören zu den negativen Resultaten, die fehlerhafte Schmiersysteme mit sich bringen. Das Ganze gipfelt dann im Versagen der Verbindung – speziell bei Edelstahl oder höher vergüteten Werkstoffen. Heutzutage stehen übrigens leistungsfähige Festschmierstoff-Systeme zur Verfügung, die in Form von Pasten oder Gleitlackierungen an der Schmierstelle appliziert werden können. Sie gewährleisten eine zuverlässige Trennung der beiden Reibpartner in jedem Belastungsbereich des Schraubprozesses. Genauer gesagt, sind sie für den sogenannten Mischreibungsbereich konzipiert und dabei bis zur Fließgrenze von Stahl belastbar.
Mythos 5: Nichts ist leichter als die Demontage
Will man eine Schraubverbindung wieder lösen, so ist das nach Ansicht vieler Praktiker eine rech teinfache Sache. Geht's mal strammer zu, erhöht man einfach das Drehmoment. Das ist der fünfte und letzte Mythos, mit dem hier aufgeräumt werden soll.
In Wahrheit ist das fachgerechte Lösen einer Schraubverbindung alles andere als trivial. Das funktioniert nur, wenn auch das richtige Werkzeug genommen wird. Anschließend muss man beim Lösen gegebenenfalls auf die empfohlene Demontagereihenfolge achten, was besonders entscheidend ist, wenn Schraube und Mutter wieder verwendet werden sollen.
Ein anschauliches Beispiel soll das Obengesagte verdeutlichen: Löst der Monteur bei einer Flanschverbindung die Schrauben im Uhrzeigersinn komplett, dann sorgen elastische Rückstelleffekte im Flanschmaterial dafür, dass die letzten Schrauben klemmen und nicht mehr lösbar sind. Leicht kann man sich vorstellen, dass dann sowohl die Gewinde als auch die Auflageflächen geschädigt oder gar zerstört werden. Dabei rauen sich die Gewindegänge außerdem auf, was unter Umständen zu einem Festfressen führen kann. Diese Beschädigungen sind dann auch wieder der Grund dafür, dass es bei der späteren Wiedermontage zu Fehlern kommt. MM
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