Mechanische Fügetechnik Schraube, Niet & Co. sollen wandlungsfähiger werden

Redakteur: Peter Königsreuther

Wissenschaflter der Universität Paderborn wollen jetzt die mechanische Fügetechnik zukunftsfähig machen, heißt es. Sie soll anwendungsflexibler werden und die bisherige starre Fügemethodik ablösen.

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Von links: Prof.-Ing. Gersond Meschut ist Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Methodenentwicklung zur mechanischen Fügbarbkeit in wandlungsfähigen Prozessketten“ der Uni Paderborn. Dr.-Ing. Mathias Bobbert fungiert dabei als Geschäftsführer des Bereichs. Ziel der Sache ist es, die Produktionsbedingungen der mechanischen Verbindungstechnik so zu optimieren, dass sie anpassungsfähig wird, um flexible Prozessketten zu erreichen.
Von links: Prof.-Ing. Gersond Meschut ist Sprecher des Sonderforschungsbereichs „Methodenentwicklung zur mechanischen Fügbarbkeit in wandlungsfähigen Prozessketten“ der Uni Paderborn. Dr.-Ing. Mathias Bobbert fungiert dabei als Geschäftsführer des Bereichs. Ziel der Sache ist es, die Produktionsbedingungen der mechanischen Verbindungstechnik so zu optimieren, dass sie anpassungsfähig wird, um flexible Prozessketten zu erreichen.
(Bild: Universität Paderborn (links) / M. Austermeier (rechts))

Ob im Fahrzeugbau, der Medizin- oder Haushaltsgerätetechnik, überall, heißt es, werden Konstruktionen aus einzelnen Bauteilen zu mehr oder weniger komplexen Strukturen mit zahlreichen Verbindungsstellen zusammengesetzt. Doch die Produktvielfalt nehme zu und immer kürzere Modellzyklen sowie herrschende ökologische Rahmenbedingungen stellten die Fügbarkeit mit Blick auf moderne Produktionsprozessen allerdings vor große Herausforderungen. Dem stellen sich nun die Wissenschaftler des Sonderforschungsbereichs (SFB) „Methodenentwicklung zur mechanischen Fügbarkeit in wandlungsfähigen Prozessketten“ der Universität Paderborn, heißt es weiter. Ihr erklärtes Ziel ist es, die bisherigen Produktionsbedingungen durch die Entwicklung wandlungsfähiger Fügetechnologien zu verbessern und die bisherigen starre Verfahren aufzubrechen, um eine flexible Prozesskette zu schaffen.

Bei Änderungen kann es bisher sehr teuer und aufwändig werden

Fügestellen spielen hinsichtlich der Qualität und Einsatzfähigkei der montierten Endprodukte eine Hauptrolle, so die Forscher. Während eine Waschmaschine schon mit wenigen Clinchpunkten fertig sei – allein durch Umformen und ohne Hilfsfügeteile wie Schrauben – müsse eine Autokarosserie durchaus 3500 Stanz-Nietverbindungen haben, damit sie hält, was sie soll. Durch den Trend zum Leichtbau wachsen aber die Anforderungen an die bisherige Fügetechnik, heißt es. Wie wichtig deshalb wandlungsfähige Prozessketten und flexible Fügeverfahren heute sind, weiß Prof. Dr.-Ing. Gerson Meschut, Sprecher des Sonderforschungsbereichs und Leiter des Laboratoriums für Werkstoff- und Fügetechnik (LWF) an der Universität Paderborn: „Die Fügbarkeit von Bauteilen ist oft der Schlüssel für effiziente Produktionsprozesse. Sie wird für den Entwicklungs- und Produktionsstandort Deutschland bei der Serienfertigung variantenreicher Produkte zunehmend zum strategischen Wettbewerbsfaktor.“

Bisher sind mechanische Fügeverfahren aber starr für das entsprechende Produkt konfiguriert, führt er weiter aus. Das limitiere nicht nur die Konstruktionsfreiheit bei der Werkstoffauswahl, sondern auch die Gestaltungsmöglichkeiten von ganzen Fabrikaten. Wenn es zu Änderungen in der Produktion komme, etwa weil die Blechdicke einer Autokarosserie geändert wird, müssten momentan alle beteiligten Verfahren durch Trial-and-Error-Methoden durchprobiert und aufwändig angepasst werden. „Das kann sehr teuer werden und ist mit Blick auf Ressourceneinsatz und Umweltbelastung unbedingt zu vermeiden“, betont der Wissenschaftler.

Die gesamte Fügeprozesskette wird unter die Lupe genommen

Die Wissenschaftler, heißt es, nehmen dabei die gesamte Prozesskette vom Werkstoff (Fügeeignung) über die Konstruktion (Fügesicherheit) bis hin zur Fertigung (Fügemöglichkeit), unter die Lupe. Seit letztem Jahr erforschten sie, wie in wandlungsfähigen Prozessketten zielgerichtete Änderungen in der Produktentstehung ermöglicht werden könnten. So würden beispielsweise in puncto Halbzeug, Fügestelle, Bauteil oder Fügeverfahren passgenaue Überarbeitungen durchgeführt. Das Ergebnis ist unikal, das heißt, es liegt dann eine einzigartige Fügestelle mit einem eigenen mechanischen Eigenschaftsprofil hinsichtlich verschiedener Beanspruchungsarten vor.

Dabei spiele die Prognosequalität eine große Rolle: „Die bisherige experimentell geprägte Methodik bei Änderungen im Produktionsprozess ist vor dem Hintergrund der wachsenden Anzahl an Werkstoff-Geometrie-Kombinationen nicht mehr effizient“, gibt Dr.-Ing. Mathias Bobbert, Geschäftsführer des SFB/Transregio 285, zu bedenken. Vielmehr seien nun abgesicherte Prognosen der Fügbarkeit die Voraussetzung für robuste, prozesssichere Fügeverfahren. „Die ganzheitliche Prognose entlang der gesamten Prozesskette stellt die Weichen für die Eigenschaften des späteren Endprodukts“, ergänzt Meschut.

Die Wissenschaftler arbeiten dafür unter anderem mit Computersimulationen und experimentellen Prüfmethoden, heißt es. Untersucht würden alle Eigenschaften der verschiedenen Verbindungen: von den einzelnen Fügeteil-Werkstoffen (Fügeeignung), etwa Aluminium, Stahl oder Kunststoff, über die darauf angepassten Fügeprozesse (Fügemöglichkeit) bis zur schlussendlichen Belastbarkeit (Fügesicherheit) – man denke zum Beispiel an eine schlagartige Belastung, wie sie im Falle eines Fahrzeugcrashs, oder an eine schwingende, wie sie im normalen Fahrbetrieb, vorkommt.

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