Von Anfang an ans Ende denken Nachhaltig fertigen
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Nachhaltigkeit! Das heißt, schon bei der Konstruktion von Blechbauteilen einzuplanen, dass sie irgendwann nicht einfach auf dem Schrottplatz landen. Sie sind weiterhin eine wertvolle Rohstoffquelle.

Werkzeugmacher wissen es. Wer einen Stanzstreifen konstruiert, ist angehalten, die Konturen der Ausschneidungen so zu puzzeln, dass als Abfall nur ganz wenig Blech anfällt. Möglichst geringe Mengen vom teuren Werkstoff vergeuden. Allein der sparsame Umgang mit der Ressource Material aber genügt nicht, um sich mit dem Etikett nachhaltiger Konstruktion zu schmücken. Ein Begriff, der das intelligente Umsetzen der Nachhaltigkeitsprinzipien im Bereich Konstruktion und Engineering von kommerziellen und industriellen Produkten fordert.
Damit der Konstrukteur eine solche Aufgabe strukturiert angehen kann, gibt es das Programm Solidworks Sustainability von Dassault. Ein praktischer Leitfaden definiert dabei die unterschiedlichen Begriffe, die gängigen Synonyme für die Idee des „nachhaltigen“ Entwickelns: unter anderem „umweltverträgliche Konstruktion“, „nachhaltiges Engineering“, „Ökodesign“ sowie „umweltgerechtes – also grünes – Design“. Die Software hält den Konstrukteur gezielt an, bei der Produktentwicklung umweltschädliche Effekte möglichst zu vermeiden.
In Kreisläufen denken
So paradox es klingt, wer konstruiert, der sollte von Anfang an auch das Ende des Produktes, der Maschine im Blick haben. „Demontagegerechte Konstruktion“ oder auch DfD – Design for Disassembly – abgekürzt steht für diesen Ansatz in der Konstruktion. Alle Einzelteile, Komponenten und Materialien der Produkte sollten am Ende der Lebenszeit mehr sein als einfach nur Schrott, man sollte sie recyceln und wiederverwenden können. Voraussetzung dabei: Die Produkte lassen sich sauber und schnell zerlegen! Die Weichen für den effektiven Ablauf stellt der Konstrukteur schon zu Beginn seiner Planungen.
Zwei Namen, ein Programm: William McDonough und Michael Braungart sind die Köpfe, die hinter dem Zauberwort „Cradle to Cradle“ stehen. Ein Ansatz, der den Kreislauf eines Produktes im Fokus hat: „von der Wiege bis zur Wiege“. Der Gedanke dahinter: Für ein Produkt soll es eben kein Grab geben, wenn es veraltet oder überholt ist, wenn das Verwendungsende gekommen ist. Wer nachhaltig konstruieren will, der sollte alle Elemente eines Systems von vornherein so konzipieren, dass sie an anderer Stelle wieder zum Einsatz für ein anderes Produkt kommen können. Das Schlagwort zum Konzept: „Abfall ist Nahrung“. Um den Lebenszyklus eines Produktes effektiv planen zu können, gilt es, alle vorstellbaren Kreisläufe einzubeziehen. Ausführlich beschreiben McDonough und Braungart ihre Konzepte in dem Buch „Cradle to Cradle: Remaking the Way We Make Things – Von der Wiege bis zur Wiege: eine neue Art, die Dinge herzustellen“.
Zirkuläre Wertschöpfung
Wenn man Ansätze neu denken will, bedarf es oft eines besonderen Impulses. Als Dr. Michael Braungart, Professor an der Leuphana-Universität Lüneburg, im Jahre 2016 in der Bielefelder Stadthalle einen Vortrag hielt, begeisterte er einmal mehr Unternehmen und Ingenieure von seinem Cradle-to-Cradle-Ansatz. In Ostwestfalen-Lippe zündete diese Idee und man initiierte daraufhin das Projekt „Cir Quality OWL“. Ein Projekt, in dem fünf Innovationsnetze der Region zusammen mit zahlreichen weiteren Unternehmen, dem VDI OWL und der FH Bielefeld die zirkuläre Wertschöpfung in den Unternehmen der Region Ostwestfalen-Lippe vorantreiben wollen. Konsortialführer ist das Netzwerk Energie Impuls OWL. Gemeinsames Ziel: die Prozesse des Wegwerfens produzierter Güter infrage zu stellen und auf eine Circular Economy zu setzen, sprich die Vision einer zirkulären Wertschöpfung zu realisieren.
Wie man Kreisläufe schließt, verdeutlicht ein Beispiel von ZF am Standort Bielefeld. Dort beschäftigen sich über 200 Mitarbeiter mit dem Aufarbeiten von Antriebskomponenten wie Kupplungen, Drehomentwandlern und Ausrücksystemen. Schon beim Entwickeln der Produkte denkt ZF an die Wiederverwendung. Und: Eine zirkuläre Wertschöpfung ist erst erfolgreich, wenn das Rückführsystem für Altteile funktioniert. Das „Design für Remanufacturing“ ist bei ZF wichtige Grundlage für das Cradle-to-Cradle-Prinzip und damit für einen Produktkreislauf mit Zukunft.
Neue Bänder aus Schrott
Beim Cir Quality OWL mit dabei ist unter anderen Unternehmen auch die Weidmüller-Gruppe. Als Familienunternehmen ist sich der Experte für Schaltschranktechnik und Automatisierungslösungen seiner Verantwortung gegenüber der Umwelt bewusst. Man ist überzeugt, dass das Potenzial der zirkulären Wertschöpfung langfristig gesehen sehr groß ist.
Ein Beispiel aus der Praxis: Weidmüller stanzt und verarbeitet Metallbänder, die aus sehr spezifischen Legierungen bestehen, die nur Weidmüller so verwendet, die der Markt im Normalfall nicht nachfragt. Deshalb gibt man dort die Metallabfälle sortenrein direkt an den Hersteller der Metallbänder zurück. Dieser schmilzt den Metallschrott wieder ein und fertigt daraus neue hochwertige Bänder mit allen geforderten Eigenschaften hinsichtlich der geforderten Legierung und Qualität. Wenn alles sortenrein erfasst wird, dann lässt sich der Prozess theoretisch unendlich ohne Qualitätsverluste im Kreislauf fahren. Ähnlich gilt das auch für Kunststoffe.
Dass es sich lohnt, in Kreisläufen zu denken, zeigen die Zahlen. Weidmüller, so das Unternehmen, konnte die Ressourceneffizienz deutlich steigern, teilweise auf über 50 % bei Metallen, die Kosten ließen sich damit um 50 % reduzieren. Dank dieser Erfolge konnte man die Mitarbeiter weiter für das Thema sortenreines Erfassen der Werkstoffe sensibilisieren.
Wie Nachhaltigkeit bei Blech geht, dafür steht die Blechwarenfabrik Limburg. Dort setzen die Geschäftsführer, die Geschwister Annika (28) und Hugo Sebastian (37) Trappmann, auf den effizienten Umgang mit Energie und Ressourcen. Ihr Credo: Hightechdigitalisierung.
Schrott unterirdisch abgeführt
Bereits seit mehr als zehn Jahren zählt das Unternehmen mit seinen 320 Beschäftigten zu den führenden nachhaltigkeitsorientierten Firmen in Deutschland. Der Umzug in einen Neubau gab den Anlass, die Produktion weiter zu digitalisieren. Dazu kamen alle Betriebsabläufe und Technologien auf den Prüfstand. Der Nutzen: Mit selbst entwickelten Maschinen und Werkzeuge ließ sich der Fertigungsablauf noch effizienter gestalten, und intelligente Wärme- und Beleuchtungssysteme verbesserten die Energiebilanz in der Fabrik. Solarstrom vom eigenen Dach stellt die Energie für viele Prozessabläufe bereit. Die Bilanz: Mit dem neuen Gesamtkonzept stößt das Familienunternehmen im Jahr etwa 2600 t Kohlendioxid weniger aus und spart rund 100 t Weißblech ein.
Diese Leistung würdigte die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (BDU) mit dem Deutschen Umweltpreis 2020. „Die ergriffenen Maßnahmen gehen weit über das übliche Maß hinaus und sind als Best Practice-Beispiel richtungsweisend für viele andere produzierende Branchen“, bilanziert Alexander Bonde, BDU-Generalsekretär.
Den Grundstein für die Entwicklung in Limburg legten bereits der Vater als Gesellschafter und ehemaliger Geschäftsführer sowie die Gesellschafterfamilie Hempel. Für die entwickelten Ideen bilanziert Geschäftsführerin Annika Trappmann: „Mit unserem Neubauprojekt haben wir uns ehrgeizige Ziele gesteckt und viele Herausforderungen bewältigt.“
Materialfluss, Energiefluss und Informationsfluss sind durch neue Technologien so harmonisch abgestimmt, dass die Prozesse mit maximaler Effizienz und minimalem Ressourceneinsatz ablaufen. Annika Trappmann: „In Bezug auf den Materialfluss bedeutet dies, dass wir beispielsweise unsere Intralogistik vollautomatisiert haben: fahrerlose Transportsysteme, vollautomatische Lager und ein Warenmanagementsystem, das alles verwaltet. Des Weiteren haben wir neue Portalstanzen gebaut und führen die Produktionsschrotte über eine unterirdische Förderstrecke bis zu einer Schrottpresse. Ein Business Intelligence Tool überwacht alle Prozesse und zeigt Unregelmäßigkeiten in den Verbräuchen auf.“
Recycling ohne Qualitätsverlust
In Limburg entwickelte und konstruierte man eigens Maschinen, die Metallbehälter so fertigen, dass bei deren Produktion weniger Abfall anfällt. Und: Eine neue Technologie zum Beschichten der Oberflächen von Weißblech erübrigt einen von zwei traditionellen Gasöfen mit hohem Energieverbrauch. In allen Gebäuden wird die Abwärme aus den industriellen Prozessen sowohl zum Heizen als auch zum Kühlen genutzt.
Den Nutzen des Projektes verdeutlichen die Zahlen: Etwa ein Drittel des in der Fertigung verbrauchten Stroms wird laut Trappmann direkt auf dem eigenen Dach erzeugt. Und: Die Solarmodule aller Standorte des Unternehmens erzeugen so viel Energie, wie 450 Familienhaushalte in etwa im Jahr verbrauchen. Für die Zukunft ist der Einsatz einer Steuerung geplant, die besonders energieintensive Prozesse dann in Gang setzt, wenn gleichfalls viel Energie erzeugt wird. Per Monitorsystem lässt sich der Verbrauch der Anlagen überwachen, um bei eventuellen Auffälligkeiten direkt reagieren zu können.
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