Schleifen Werkzeugschleifmaschinen wagen Vorstoß in die Welt der Nanos

Autor / Redakteur: Lothar Handge / Bernhard Kuttkat

Zunehmend höhere Anforderungen an die Genauigkeit beeinflussen die Entwicklung der Werkzeugschleifmaschinen. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an die Prozesssicherheit – damit die Schleifmaschinen ihre hohen Genauigkeiten nicht nur im Einzelfall, sondern bei ausreichender Produktivität auch reproduzierbar herstellen können.

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Hochpräzise Schleifmaschinen sind in vielen Bereichen gefragt, auch im Bereich des Werkzeug- und Formenbaus. So weiß Dr. Ralf Kammermeier, Geschäftsführer der Körber Schleifring GmbH in Hamburg, aus vielen Kundengesprächen: „Die Schleifmaschinen müssen noch präziser werden.“ Dabei erreicht die Schleiftechnik bereits den Nanobereich und damit die Grenze der Messbarkeit. Freilich gilt es nicht nur, eng vorgegebene Toleranzen einzuhalten. Verlangt wird auch eine optimierte Prozesssicherheit, die nach Dr. Ralf Kammermeier unabdingbar ist, „um in der Großserienfertigung auch das tausendste Teil noch genauso präzise zu fertigen wie das erste“.

Die Leistungsfähigkeit eines Produktionssystems wird aus dem Zusammenwirken von Genauigkeit, Produktivität und Reproduzierbarkeit bestimmt. Hinzu kommen wegen der zunehmend kleineren Losgrößen höhere Ansprüche an die Flexibilität der Fertigungsprozesse. Entscheidend für die Präzision eines Werkzeugmaschinensystems sind in erster Linie die Eigenschaften der Einzelkomponenten und deren Zusammenspiel. Von Bedeutung sind hier vor allem die dynamische und thermische Steifigkeit des Systems sowie das Nachgiebigkeitsverhalten zwischen Werkzeug und Werkstück.

Abrichtgerät mit schwenkbarem Werkzeug

Eine deutliche Erhöhung der Positions- und Bahngenauigkeiten ermöglichen die neuen, hochdynamischen Vorschubantriebe mit Linear- und Torquemotoren. Sie benötigen keine mechanischen Zwischengetriebe und vermeiden Elastizitäten, Reibung und Spiel. So ist zum Beispiel die Helitronic Vision der Walter Maschinenbau GmbH in Tübingen in fünf Achsen mit Direktantrieben ausgerüstet. Ein schweres Maschinengestell aus Mineralguss ist eine solide Basis zur Aufnahme von Beschleunigungskräften und zur Dämpfung von Schwingungen. Das Ergebnis sind bessere Werkstückoberflächen sowie Maß- und Formgenauigkeiten. Der höhere technische Aufwand und die größere Investition werden durch kürzere Schleifzyklen und gesteigerte Genauigkeit gerechtfertigt.

Besonders im Werkzeug- und Formenbau werden hohe Genauigkeiten bei einer gleichzeitig flexiblen Fertigung gefordert. Hier sind unter anderem Abrichtgeräte mit schwenkbaren Werkzeugen nützlich, deren Einstellung und Verschleiß das Fertigungsergebnis entscheidend beeinflussen. Die K. Jung GmbH, Göppingen, entwickelte eine besondere Messtechnik, um automatisch die Fehlerkurven der Abrichtwerkzeuge in einem Schwenkbereich von 120° aufzunehmen und daraus entsprechende Daten zur Korrektur der Bahnkurven zu ermitteln.

Im Vergleich zum herkömmlichen Einstellen der Diamanten über Messuhren und zu externen Voreinstellgeräten ergeben sich verkürzte Einrichtzeiten und deutlich höhere Genauigkeiten. Die Präzision lässt sich weiter steigern, wenn man mittels Messen von Maß-, Lage- und Formabweichungen der Werkstücke während des Schleifens weitere Störeinflüsse kompensiert.

Eine weitere Möglichkeit, um die Genauigkeiten in der Fertigung zu verbessern, besteht in der Komplettbearbeitung in einer Aufspannung. Damit lassen sich Fehler vermeiden, die durch das mehrfache Auf- und Umspannen der Werkstücke entstehen. Zudem spart diese Methode wertvolle Prozesszeit.

Die hohen Genauigkeitsanforderungen bereiten freilich auch neue Probleme. Schon heute kann die Messtechnik der Bearbeitung nicht mehr folgen, meint Dr.-Ing. Hans-Werner Hoffmeister, stellvertretender Leiter des Institutes für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der Universität Braunschweig: „Bei Genauigkeiten und Oberflächenqualitäten im Nanobereich wird ein haarfeiner Kratzer zum Grand Canyon.“ Alle heutigen Messinstrumente können kleinste oder Mikrostrukturen nur schwierig erfassen, insbesondere wenn bei der Messung die Bauteilstrukturen beschädigt werden.

Um den gesamten Produktionsprozess zu harmonisieren, verfolgt die Forschung laut Hoffmeister mehrere Richtungen: „Ein Trend ist die Prozessmodellierung, ein anderer die In-Prozess-Messung.“ Zu den aktuellen Forschungsprojekten gehört die Platzierung bezahlbarer und vor allem wenig störanfälliger Sensoren für die In-Prozess-Messung. Ein neuer Entwicklungsansatz ist die Adaptronik, also die Kompensation der Eigenschwingungen von Schleifmaschinen durch Piezo-Aktoren.

Mikrowerkzeuge für filigrane Strukturen

Mit dem bei vielen Produkten sichtbaren Trend zur Miniaturisierung nimmt auch die Nachfrage nach kleinen Werkzeugen deutlich zu. „Während Standardwerkzeuge längst günstig aus asiatischen Regionen bezogen werden können, ist auf dem inländischen respektive dem westeuropäischen und dem amerikanischen Markt für kleine Werkzeuge ein Wachstum zu erkennen“, meint Dipl.-Ing. Jörg Strohmann, Abteilungsleiter Ausrüstungskonstruktion der Schütte Schleiftechnik GmbH in Köln. Von kleinen Werkzeugen oder Mikrowerkzeugen spricht man, wenn der Schneidendurchmesser etwa 2 mm und kleiner ist. Verwendet werden solche rotationssymmetrische Werkzeuge unter anderem zum Herstellen von Spritzgussformen oder Erodierelektroden, mit denen die Formen produziert werden.

Schneidendurchmesser von 0,1 mm sind nicht selten

Gängige Mikrowerkzeuge sind Minifräser, Minikugelfräser und Minibohrer. Die Grenzen der Miniaturisierung der Schneidendurchmesser werden wesentlich durch die Herstellungsart und durch geeignete Schneidstoffe bestimmt. Allerdings sind laut Strohmann kleinste Schneidendurchmesser von 0,1 mm heute schon keine Seltenheit mehr. Mikrowerkzeuge mit diesen Dimensionen werden wie die großen Werkzeuge auf 5-achsigen CNC-Werkzeugschleifmaschinen gefertigt. Die beiden zentralen Kriterien beim Herstellen der Mikrowerkzeuge sind das Erreichen von guten Oberflächenqualitäten an den Schneidkanten und von einem präzisen Rundlauf zwischen Schneiden und Schaft.

Beide Eigenschaften entscheiden über die spätere Lebensdauer des Werkzeugs. „Ein speziell entwickeltes Werkstück-Führungssystem ist die Basis zur präzisen schleiftechnischen Herstellung von Mikrowerkzeugen auf einer CNC-Werkzeugschleifmaschine“, betont Strohmann. Aufgrund digitaler Antriebstechnik in Verbindung mit Direktantrieben ist ein Mikrowerkzeug komplett, einschließlich Rundschleifen, in einer Aufspannung herstellbar. Außerdem lassen sich mit Direktantrieben im Vergleich zu konventioneller Antriebstechnik bessere Oberflächengüten erreichen. Ein einfaches und schnelles Einrichten des Werkstück-Führungssystems auf einen anderen Werkstückdurchmesser hält die Rüstzeiten kurz und ermöglicht somit auch die Fertigung in kleinen Losgrößen.

Zum Einschleifen von hochpräzisen Taschen in einen Hartmetall-Grundkörper zur Aufnahme von PKD-Schneidplatten hat die Feinmechanik Michael Deckel GmbH & Co. KG in Weilheim ihr CNC-Schleifzentrum S22E mit einer neuen Hochfrequenz-Spindel und einem Hydrodehn-Spannfutter ausgerüstet. „Das Problem dieser Anwendung liegt im Drehzahlbereich der Spindel“, erläutert Produktmanager Gerhard Sailer, die Anforderungen an die Maschine, „Drehzahlen von 12 000 min–1 reichen nicht aus, es sollten schon 50 000 min–1 sein.“ So schnell dreht aber nur eine Hochfrequenz-Spindel. Deshalb haben die Entwicklungsingenieure eine Lösung erarbeitet, die die HF-Spindel in den Automations-Ablauf der S22E integriert. Die verwendete HF-Spindel baut besonders klein; das Spindelgehäuse hat 80 mm Durchmesser und wiegt nur 6 kg. Die Werkzeugaufnahme übernimmt eine Spannzange für 6, 8 und 10 mm Schaftdurchmesser.

Dazu kommt ein Hydrodehn-Spannfutter. „Weil das Einfuttern im µm-Bereich eine hohe Präzision beim Positionieren des Werkstückträgers erfordert, setzen wir einen Messtaster ein, der über einen Referenzstift die Einwechselposition kalibriert“, erläutert Gerhard Sailer. Damit kann die Werkzeugschleifmaschine S22E auch mit HF-Spindel vollautomatisch in der dritten Schicht arbeiten. Wenn der Hartmetall-Grundkörper in seiner Kontur fertig geschliffen ist, werden mit dem Schleifstift noch die Taschen für die PKD-Platten eingearbeitet – bei einem Kettenlader mit Platz für 155 Werkstücke lässt sich so die Nacht bedeutend produktiver gestalten.

Schleifen und Erodieren auf einer Kombimaschine

Die Mapal Dr. Kress KG in Aalen verwendet zum Schleifen von PKD- und PKB-Schneiden Maschinen der Schweizer Ewag AG, Etziken. Das baden-württembergische Traditionsunternehmen stellt beispielsweise Werkzeugwechselköpfe zum Hartfräsen von Kugelbahnen in Achsgelenken her. Dr. Dieter Kress, geschäftsführender Gesellschafter von Mapal, dazu: „Aufgrund unserer Fertigungsgenauigkeit erreichen wir prozesssicher eine Rundlaufgenauigkeit von 3 µm und damit eine hohe, gleichmäßige Standzeit.“ Ein Nacharbeiten der Kugelbahnen ist nicht mehr erforderlich. Um solche Genauigkeiten prozesssicher zu erzielen, sind außer temperierten oder vollklimatisierten Räumen auch hochpräzise Werkzeugschleifmaschinen erforderlich.

Mit der im Jahr 2005 in Betrieb genommenen Kombimschine Ewamatic Line für das Schleifen und Erodieren von Werkzeugen erreicht man in temperierten Werkhallen mit Temperaturschwankungen von weniger als 5 °C Genauigkeiten von ±2 µm. In vollklimatisierten Räumen mit Temperaturschwankungen von ±1 °C und mit besonders schwingungsarm aufgestellten Maschinen sind noch engere Toleranzen realisierbar.

Beim Herstellen von Werkzeugen mit superharten Schneidstoffen wie CBN oder PKD sind hohe Genauigkeit und Oberflächengüte nur mittels Schleifen, wirtschaftliche Abtragsraten aber nur mittels Erodieren erreichbar. Dort bietet sich die Ewamatic Line besonders an, weil sie die Erodier- und Schleifbearbeitung in einer Maschine und in einer Aufspannung ermöglicht. Hinzu kommen mehr als zehn Jahre Erfahrung von Ewag beim Erodieren und Schleifen auch bei der Prozessführung. „Die Ewamatic Line nimmt beim Schleifen engster Toleranzen eine herausragende Stellung ein“, ist Kress überzeugt.

Hartmetallfräser mit Durchmessern von 2 bis 32 mm produziert der holländische Präzisionswerkzeughersteller Jabro Tools in Lottum auf Werkzeugschleifmaschinen der Walter Maschinenbau GmbH, Tübingen. Dabei arbeitet der Spezialist für Fräser mit extrem hohen Zeitspanvolumen und Vorschüben überwiegend mit Maschinen der Helitronic-Baureihe. „Die Maschinen passen ideal zu unserer Produktpalette, denn sie eignen sich besonders für die Bearbeitung von Hartmetall“, sagt Jabro-Produktionsleiter Ger Sturme. Die Toleranzen liegen je nach Einsatzgebiet zwischen 4 und 20 µm. Das zur schwedischen Seco Tools Group gehörende Unternehmen stellt auf den Helitronics sowohl kundenspezifische Werkzeuge in kleinen Losgrößen als auch Standardprodukte her.

Hohe Oberflächengüte und Schneidkantenqualität

Kommt es auf höchste Oberflächengenauigkeit und Schneidkantenqualität an, verwendet man eine Helitronic Vision, die in allen fünf Achsen besonders präzise und prozesssicher schleift. „Die Helitronic Vision ist eine der besten Maschinen mit Lineartechnik, die derzeit auf dem Markt sind. Sie hebt sich durch ihre Formgenauigkeit von den Wettbewerbern ab“, bestätigt Ger Sturme.

So erreicht man bei den aus endabmessungsnahen Hartmetall-Rohlingen geschliffenen „Tannenbaumfräsen“ der Schaufeln für den Turbinenbau Oberflächen- und Formgenauigkeiten von unter 4 µm. Außerdem setzt Jabro die jeweils aktuelle Walter-Software ein. „Sie macht die Flexibilität der Maschinen aus, sorgt für sehr kurze Nebenzeiten und trägt auch zur Präzision bei“, erläutert Ger Sturme.

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