Konstruieren in Blech Intelligente Blechgestaltung verbessert die Teilefunktionalität
Angehende Ingenieure und Konstrukteure lernen meist nur das klassische Konstruieren. Blech gerät hingegen oft in Vergessenheit. Dabei lassen sich Blechteile in vielen Fällen material- und energieeffizienter herstellen als Frästeile oder Baugruppen aus Halbzeugen.
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Die Vorteile der Blechgestaltung lassen sich am besten anhand eines konkreten Beispiels erklären. In Sägemaschinen für Winkelstähle und Profile bewegen sich die Halbzeuge auf Rollen, die an einem Rollenhalter befestigt sind. Die Grundform eines solchen Halters ist relativ einfach. Sie erinnert an ein U-Profil, dessen eine Seite etwas kürzer ist als die andere. In der Mitte des Profils wird die Rolle eingespannt, auf der die zu sägenden Halbzeuge liegen.
Überlegte Blechgestaltung spart Geld
Zusätzlich ist neben der längeren Seite des U-Profils eine Auflage montiert, auf der eine Stütze zum besseren Positionieren der Halbzeuge befestigt ist. Die Grundfunktion dieses speziellen Teils ist also, die Auflagerolle und die Positionierhilfe der Maschine zu halten.
Bekanntlich gibt es meist verschiedene Lösungen für eine Aufgabe. So kann ein Konstrukteur einen Rollenhalter aus Winkelstählen und einem Vierkant-Rohr oder aus Blechkonstruktionen bauen. Die genaue Funktion des Halters und mögliche Einsparpotenziale sind ausschlaggebend dafür, welche Lösung die beste ist. Anhand fünf unterschiedlicher Gestaltungvarianten eines Bauteiles wird deutlich, wie einfache Methoden viel Geld einsparen.
Ausgangspunkt für neue Lösungen ist die ursprüngliche Konstruktion
Die ursprüngliche Gestaltung des Rollenhalters basierte auf einer klassischen Schweißkonstruktion aus vier Halbzeugen: zwei Winkelstähle, ein Vierkant-Rohr und ein Blechteil. Der Schweiß- und Positionieraufwand für eine solche Variante ist hoch. Zudem sind die vorangehenden Arbeitsschritte aufwendig. In der spanenden Fertigung entstehen die Langlöcher, die dem Positionieren der Rolle und des Halters dienen. Eine Sägemaschine schneidet das Rohr in die richtige Länge. Diese Sägeschnitte sind unsauber und erfordern daher viel Nacharbeit. Um eine saubere Schweißnaht zu erhalten, müssen die Rohrkanten nach dem Sägen entgratet werden.
„Den Halter so herzustellen, erfüllt zwar die Funktion, aber es ist zeitraubend und ineffizient“, so Heusel, Leiter der Trumpf-Seminare. „Das geht besser“, dachte er sich und entwickelte Alternativlösungen. Im Rahmen eines Trumpf-Workshops zur Blechgestaltung mit dem Hersteller des Rollenhalters entstanden so vier neue Gestaltungsvarianten.
Variante 1: Reduzierte Durchlaufzeit bei Torsion
Ein Vierkant-Rohr ist zentraler Bestandteil der ursprünglichen Konstruktion und schützt den Rollenhalter vor Torsion. Sollten von unterschiedlichen Seiten Kräfte auf den Rollenhalter einwirken, muss auch weiterhin ein Rohr verwendet werden. Trotzdem könnte der Kunde sparen, denn die Herstellkosten ließen sich in einem ersten Schritt um bis zu 32 % reduzieren. Heusel über die alternative Konstruktion: „Anstatt Winkelstähle verwenden wir ein geknicktes Rohr und zwei lasergeschnittene Blechteile. Das Rohr schneiden wir sauber auf einer Trulaser Tube.“ Der Halter besteht so nur noch aus drei anstatt vier verschweißten Teilen. Das reduziert die Durchlaufzeit.
Weitere Vorteile ergeben sich durch das Laserschneiden. Zum einen ist der Schnitt sauber und benötigt keine Nacharbeit. Dadurch ist es schneller als das Sägen und Entgraten des Rohres. Zum anderen ist der Laser ein flexibles Werkzeug, das auch filigrane Konturen schneidet. Ein Rohr lässt sich so vorbereiten, dass es leicht und genau in die gewünschte Position gebogen werden kann. Im Rohr wie in den Blechteilen lassen sich zudem Ausschnitte für Positionierhilfen in einem Schritt verwirklichen.
Beides reduziert die Vorbereitungszeit für den Schweißvorgang. Trumpf bietet zwei Maschinen zum Laserrohrschneiden. Die Trulaser Tube 5000 eignet sich als produktive Standardmaschine, die zuverlässig die konventionellen Rohrfertigungsverfahren ersetzt. Für außergewöhnliche Anwendungen ist die Trulaser Tube 7000 entwickelt. Sie ermöglicht ein breites Teilespektrum und schneidet mit der neuen Funktion Schrägschnitt auch Gehrungen und Fasen bis 45°.
Variante 2: Alles aus einem Blech
Die erste Variante reduziert die Durchlaufzeiten im Vergleich mit der ursprünglichen Herstellung des Rollenhalters und spart 32 % der Teilekosten. Sie ist die beste Lösung, wenn Torsion vorhanden ist, also wenn von mehreren Seiten Kräfte auf den Halter wirken. Tatsächlich liegen jedoch die zu sägenden Profile so auf der Rolle im Halter, dass nur Kräfte von oben wirken. Das erweitert die Gestaltungsfreiheit und eröffnet noch größere Einsparpotenziale. Der gesamte Halter kann aus einem Blechteil bestehen. Das reduziert die Materialkosten, da teure Halbzeuge wegfallen.
Die Konturen und die Positionierlöcher schneidet eine Trulaser 2D-Lasermaschine in einem Zug. Hier zeigt sich wieder der große Vorteil des Lasers. Er ermöglicht fast jede Kontur und damit eine unbegrenzte Anzahl an Teilegeometrien. Je nachdem, für welches Teilspektrum ein Anwender die Maschine benötigt, bietet Trumpf unterschiedlich spezialisierte Anlagen.
Auf einer Biegemaschine erhält das geschnittene Blech anschließend die richtige Form. Schweißen ist nur noch an vier Ecken nötig, um das Teil zu stabilisieren. Das sind deutlich weniger Arbeitsschritte als in der ursprünglichen Version und der ersten Variante mit Rohr. Zudem reduziert sich die Zeit für die Schweißvorbereitung erheblich, da das Teil bereits durch den Biegevorgang richtig fürs Schweißen positioniert ist. Ein positiver Nebeneffekt: Das präzise Vorpositionieren beim Biegen erhöht die Genauigkeit der Schweißnähte. Alles zusammengerechnet ist das Teil 50 % günstiger als zuvor – und dabei noch genauer.
Variante 3: Gesteigerte Funktionalität
Mit Variante zwei hat Heusel seinem Kunden 50 % an Kosten gespart. Aber damit hat er noch nicht alle Potenziale ausgeschöpft: „Wir haben uns die Funktion und die Position des Rollenhalters noch einmal ganz genau angeschaut. Dabei ist uns klar geworden, dass wir mit einem Blechteil nicht nur die Kosten des Halters reduzieren können, sondern auch die Funktionalität erweitern.“
Der Gedanke dahinter: Der Rollenhalter befindet sich in einer Maschine, die Winkelstähle durchsägt. Daher können von der Arbeitsfläche Späne oder sonstiger Schmutz auf den Halter fallen. Auf einem Vierkant-Rohr oder in einer Schale aus Blech bleibt dieser Schmutz liegen. Mit einem Blech lässt sich jedoch problemlos eine Rutsche konstruieren, über die der Schmutz abfallen kann. Dabei bleibt die eigentliche Funktion des Teils gleich: Es hält weiterhin sicher die Auflagerollen. Wie die Variante zwei besteht der komplette Halter aus einem lasergeschnittenen und gebogenen Blechteil, das an zwei Stellen verschweißt ist. Daher reduzieren sich die Kosten im Vergleich zur ursprünglichen Konstruktion um 50%. Allerdings kommt die zusätzliche Funktionalität hinzu.
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Sinnvolle Blechgestaltung spart auf jeden Fall Kosten
Die verschiedenen Rollenhalter-Varianten zeigen: Es gibt viele Möglichkeiten, ein benötigtes Bauteil zu gestalten. Die erste Lösung ist dabei nicht immer die sinnvollste. Wenn der Konstrukteur Schweißen, zerspanende Bearbeitungen oder die Menge an Einzelteilen reduziert, dann spart er Kosten. Mit intelligenten Blechkonstruktionen kann er sogar die Funktionalität des Teils erhöhen.
Um alle Potenziale nutzen zu können, muss der Konstrukteur die Möglichkeiten und Grenzen der Blechgestaltung kennen. Heusel hilft dabei gerne weiter: „Wir bieten bei Trumpf kundenindividuelle Workshops und offene Seminare rund um die Gestaltung von Blechteilen. Dabei bearbeiten wir auch konkrete Kundenbeispiele und helfen unseren Kunden, Kosten zu sparen.“ Das Beispiel Rollenhalter hat gezeigt: Sinnvolle Blechgestaltung lohnt sich.
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