Erodieren Präzise Motoreinspritzdüsen durchfunkenerodierte Mikrobohrungen

Autor / Redakteur: Alexandre de Souza / Peter Königsreuther |

Die Funkenerosion (EDM - Electro Discharge Machining) hat sich einen festen Platz im Kfz-Bereich gesichert. Moderne Einspritzsysteme verschiedener Arten sind durch EDM-Verfahren optimiert worden. Dieser Bericht informiert über den Stand der Technik und die wichtigsten Einflussparameter auf den Bearbeitungsprozess.

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Bild 1: Prinzipielle Darstellung des Drahterosionsprozesses an einer nur Mikrometer messenden Bohrung in einem Werkstück aus Hartmetall.
Bild 1: Prinzipielle Darstellung des Drahterosionsprozesses an einer nur Mikrometer messenden Bohrung in einem Werkstück aus Hartmetall.
(Bild: Agie Charmilles)

Mikrobohrungen können heute über den EDM-Prozess in Kombination mit sehr guten Oberflächenqualitäten hergestellt werden. Das ermöglicht in der Praxis einen exakten Einspritzvorgang des Kraftstoffes in die Verbrennungskammer eines Motors. Und die Partikelemissionen bleiben so innerhalb von festgelegten Mindestabgasgrenzwerten für die europäische Norm. Die Durchmesser üblicher Sitzloch- und Sacklochdüsen für Einspritzbohrungen liegen zwischen 90 und 500 µm – wobei die Größe von der Motorart abhängt und in einer Einspritzdüse fünf bis maximal 14 Mikrobohrungen sein können.

Funktionsbestimmende Merkmale von Einspritzdüsen

Die vorliegende Abhandlung beschreibt detailliert den aktuellen Stand der Technik für Einspritzdüsen-Mikrobohrungen, hergestellt mittels Funkenerosion. Zu den technisch kontrollierbaren Variablen – auch Prozessparameter der Funkerosion genannt – zählen unter anderem die mechanischen und elektronischen Merkmale der EDM-Werkzeugmaschine (Bild 2).

Nur die korrekte Definition der möglichst optimalen Parameter für die Bearbeitung eines gewünschten Bohrungsdurchmessers, gewährleistet die Produktion von Einspritzdüsen in hoher Stückzahl mit sehr guten Prozessfähigkeitsindizes (Cp und Cpk), also einer geringen Ausschussquote. Bei speziellen Einspritzdüsentypen werden die funkenerodierten Mikrobohrung noch zusätzlich durch hydroerosives Schleifen (HE-Schleifen) mit einer Öl-Borcarbid-Mischung unter 100 bar Strahldruck behandelt. Das gewährleistet einen gleichmäßigen Materialabtrag an der Innenfläche der Mikrobohrungen. So entstehen besonders glatte Oberflächen und ein Verrundungsradius.

Zur generellen Qualitätskontrolle wird sowohl der interne und externe Durchmesser (DI und DE, siehe Bild 3) geprüft als auch der Höhen- und Seitenwinkel (ϕ und φ). Ein anderes wichtiges Kontrollmerkmal einer Einspritzdüsen-Mikrobohrung ist der hydraulische Durchflusses (Q). Praktisch wird der volumetrische Durchflusswert mit einem definierten Öl bei vorgegebener Prüftemperatur und 100 bar Druck ermittelt. Ein Wert außerhalb der festgelegten Toleranz deutet auf Geometriefehler der Bohrung hin: die funkenerosionsspezifischen Prozessparameter müssen dann überprüft und eventuell korrigiert werden. Die Maschinentechnik für die Arbeit lieferte die Agie-Charmilles-Gruppe. Das Unternehmen ist einer der führenden Hersteller von EDM-Werkzeugmachinen zur Bearbeitung von Mikrobohrungen für Einspritzdüsen. Bild 4 zeigt ein typisches Beispiel von solchen EDM-Werkzeugmaschinen (Modell Agie Quadraton I).

Hauptsächlich besteht diese Maschine aus einem Spannungsgenerator mit Steuerung und Dielektrikumseinheit (Rollenpumpe, Kühlaggregat des Dielektrikums in hydraulischer Verbindung mit dem Behälter des Kunstharz-Ionenaustauschers). Mechanischen Spannelemente runden die Anlagenmerkmale ab und fixieren das zu bearbeitende Werkstück und die Elektrode präzise. Durch die korrekte Montage und Einstellung der elektrischen und mechanischen Komponenten der EDM-Werkzeugmaschine resultiert schließlich die geometrische Genauigkeit der Einspritzdüse, entsprechend der gewünschten Einspritztechnik.

Eine stabile Elektrodenausrichtung schluckt Störschwingungen

Eine EDM-Werkzeugmaschine arbeitet mit elektrischen Entladungen. Dabei entstehen extrem hohe Temperaturen, die den Materialabtrag begünstigen. Diese Entladungen sind quasi Mikroblitze, die dort entstehen, wo die Spannung an der Elektrode stärker ist als die isolierenden Eigenschaften des umgebenden Dielektrikums, wobei es sich bei der Agie Quadraton I um deionisiertes Wasser mit geringer Leitfähigkeit handelt. In der Anlage hat die Werkzeugelektrode ihre Freiheitsgrade in drei linearen Achsen (U, V und W), während sich das Werkstück über die Achsen X,Y und Z bewegt, wobei die verschiedensten Formen von Mikrobohrungen in der Einspritzdüse bearbeitet werden können.

Beim Fertigungsprozess bewegt sich die in einer keramischen Prismenführung liegende Werkzeugelektrode entlang der W-Achse (Bild 5). Sowohl das Werkstück als auch die Werkzeugelektrode sind elektrisch mit dem Generator der EDM-Werkzeugmaschine verbunden. Die genaue Positionierung beider Elemente wird von ihren jeweiligen mechanisch präzisen Fixierungssystemen in den entsprechenden Achsen gewährleistet. Die geometrische Genauigkeit und Qualität der Ausrichtung ist besonders wichtig, da die Positionierung hauptverantwortlich ist für die Intensität auftretender Störschwingungen der Werkzeugelektrode während des Bearbeitungsprozesses. Schwingt etwa die Werkzeugelektrode zu stark, führt das in der Praxis zu Mikrobohrungen mit signifikanten Abweichungen von der präzisen zylindrischen Form, was die Einsatzfähigkeit des Produktes nicht nur stark beeinträchtigt, sondern meist sofort zu kostspieligem Ausschuss führt. Zusätzlich kann die Agie Quadraton I mittels einer speziellen Funktion den Verschleiß der im Einsatz befindlichen Werkzeugelektrode effektiv kompensieren. Die Verschleißminimierung gelingt dabei in allen Achsen. Mit der Anlage können außerdem vier Einspritzdüsen parallel bearbeitet werden, wenn die Geometrie der Mikrobohrungen gleich ist.

Die Leitfähigkeit des Dielektrikumsbestimmt die Präzision

Die Dielektrikumseinheit sorgt unter anderem für die Aufarbeitung des Arbeitsmediums und stellt so die Qualität des Produktes sicher. Um die geforderte Präzision zu erreichen, arbeitet man hier mit deionisiertem Wasser, das bei 15 °C eine elektrische Leitfähigkeit unter 0,5 mS/cm aufweist. Unter diesen Bedingungen kann ein besonders kleiner Bearbeitungsspalt von etwa 50 µm zwischen der Werkzeugelektrode und dem Werkstück eingestellt werden.

Damit die elektrische Leitfähigkeit des Arbeitsmediums möglichst konstant bleibt, werden über den geschlossenen hydraulischen Kreis der Dielektrikumseinheit folgende Merkmale kontrolliert: die Filterfunktion, die korrekte Einstellung der elektrischen Leitfähigkeit mittels Kunstharz-Ionentauscher sowie die Prozesstemperatur mittels Wärmeaustauscher.

Weil sich der Kunstharz-Ionentauscher mit der Zeit durch die abgesprengten Werkstückpartikel zusetzt, bildet er meist die Hauptursache für abweichende Leitfähigkeitswerte. Spätestens wenn sein maximaler Sättigungsgrad erreicht ist, muss der Tauscher gereinigt und wiederverwendet oder ausgewechselt werden.

Wenn das Dielektrikum außerhalb der Leitfähgkeitstoleranz liegt, ergibt sich noch ein Nachteil: Die Bearbeitungszeit für eine Mikrobohrung steigt deutlich an, weil infolge der höheren Leitfähigkeit, die Zahl der Kurzschlüsse zwischen Elektrode und Werkstückoberfläche zunimmt. Dadurch wird die Elektrode von der Maschinensteuerung zu einer ständigen Zustellbewegung gezwungen, was den Materialabtrag und die Effektivität der Fertigung reduziert.

Wärmeleitfähigkeit und Schmelzpunkt beeinflussen das Ergebnis

Die Agie Quadraton I arbeitet mit einem sogenannten Relaxationsgenerator. Er ermöglicht die Einstellung der Parameter zur elektrischen Entladung, die für die Höhe des Materialabtrags am Werkstück bestimmend sind. Wichtige Einstellwerte über den Generator sind die elektrische Polarität an der Werkzeugelektrode, die elektrische Spannung zwischen den Elektroden, mit maximal 250 V Gleichspannung sowie die Zeit zwischen zwei aufeinander folgenden Entladungen. Bild 6 zeigt schematisch den prinzipiellen Aufbau und die Funktionsweise des Relaxationsgenerators der Maschine zum Zeitpunkt einer Entladung. Hier wird speziell der Einfluss der Diode auf den Entladestrom dargestellt: die Diode ist ein wichtiges Element des Generators, das sich auf den Materialabtrag und den Werkzeugverschleiß signifikant auswirkt.

Der Relaxationsgenerator erlaubt die präzise Einstellung der Kondensatorkapazität im Schaltkreis von Werkzeugelektrode und Werkstück. Dadurch wird eine exakte Kontrolle der gesamten Energie der elektrischen Entladung möglich. Generell ist die Einstellungsqualität aller Parameter des Relaxationsgenerators stark mit dem korrekten Wert der elektrischen Leitfähigkeit des Dielektrikums gekoppelt, um auch wirklich die gewünschten, präzisen Arbeitsergebnisse zu erzielen.

Die Regeleinheit der Maschine, die durch die Prozessparameter Gain und Com bestimmt wird, sorgt für einen konstanten Spalt zwischen Werkzeugelektrode und Werkstück, auch frontaler Bearbeitungsspalt genannt. Der Parameter Com definiert diesen Abstand, wobei der Gain-Wert die Geschwindigkeit der Zustellbewegung der Werkzeugelektrode bei einer Abweichung vom Maß des eingestellten frontalen Bearbeitungsspalts bestimmt, um das Spaltmaß kontinuierlich zu halten. Bild 7 zeigt die Funktionsweise dieses Regelkreises: die Erhöhung des Com-Wertes etwa von 10 auf 70 bedeutet dann, dass die Anlage einen kleineren Abstand zwischen der Werkzeugelektrode und dem Werkstück einstellt. Die Werte von Gain und Com sollen dabei aufeinander abgestimmt sein, weil die Funktion eines der Parameter vom anderen abhängt.

Einspritzdüsen sind heute etwa aus einsatzgehärtetem Stahl 18CrNi8 (DIN 1.5920) hergestellt. Die wichtigsten physikalischen Eigenschaften des Stahles 18CrNi8 für die Funkerosion sind sein Schmelzpunkt und seine Wärmeleitfähigkeit. Beide Merkmale definieren die Art des Materialabtrags in Abhängigkeit von den Einstellparametern am Relaxationsgenerator.

Die Stahlart bestimmt außerdem die maximale Tiefe der thermisch beeinflussten Zone einer Mikrobohrung. Diese Zone – normalerweise in einigen µm dick – zeigt Mikroporen und Risse was sich negativ auf die mechanische Festigkeit der Einspritzdüse auswirkt. Speziell die Oberflächenhärte nach der Bearbeitung, hängt von der chemischen Zusammensetzung des Stahls ab und ist mitverantwortlich für die tribologischen Eigenschaften der Innenfläche. Bei besonders kleinen Durchmessern bis 0,25 mm, muss die Werkzeugelektrode aus Hartmetall gefertigt werden, weil dessen hoher Schmelzpunkt dem Verschleiß der Elektrode entgegenwirkt. Für die Bearbeitung von Mikrobohrungen mit Durchmessern über 0,5 mm kann Kupfer verwendet werden, denn aufgrund seiner Wärmeleitfähigkeit weist dieses Metall einen geringen Verschleiß auf. Bei Durchmessern kleiner als 0,90 µm überschreitet die Funkenerosion ihre wirtschaftlichen Grenzen. Hier werden aktuell andere Fertigungsmöglichkeiten wie der Einsatz von Femtosekunden-Lasern untersucht. Für dazwischenliegende Bohrungsgrößen können auch Silber oder Wolfram als Elektrodenmaterial verwendet werden.

Mit der Agie Quadraton I wurden zwei Hauptarten hydraulischer Fließwege des Dielektrikums (Bild 8) angewendet, der externe und der interne Fluss. Bild 9 zeigt Ergebnisse bezüglich der Änderung des internen Flusses (in g/sec) auf den Innendurchmesser. Der interne Fluss des Dielektrikums kann auch zur Herstellung einer gewissen Konizität der Mikrobohrung genutzt werden, die einen Einfluss auf das Verhalten des Kraftstoffstrahls ausübt und so auf den gesamten Verbrennungsprozess im Motor. MM

Literatur:

[1] Rizkalla, P. A. Development of a hydroerosion model using a semi-empirical method coupled with an euler-euler approach. 2007.

[2] AGIE Charmilles. Mikro HMS 400, 400 U, 600, 600U, 800. Katalog.

[3] Souza, A. Otimização do processo de microfuração por eletroerosão de bicos injetores. Master of Science Dissertation, Universidade Federal de Santa Catarina, 2000.

* Alexandre de Souza ist Geschäftsführer der AS Ingpeed (Forschung und Entwicklung im Maschinenbau) in Blumenau-SC, (Brasilien). Weiter Informationen, Tel. ((00 55) 47 88) 16 15 07, desouza.alexandre@bol.com.br, www.asingpeed.xpg.com.br

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