Künstliche Intelligenz Schweißtechnik: KI-basierte Parametrierung

Ein Gastbeitrag von Anja Baumann, Bassel El-Sari und Dirk Fromme

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Für die Parametrierung von Schweißverbindungen werden viele Schweißversuche und ein fundiertes Fachwissen benötigt. Die richtigen Parameter auf Anhieb zu finden, gleicht der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Mithilfe von künstlicher Intelligenz kann solch eine Suche stark vereinfacht werden. Die Algorithmen, einmal richtig trainiert, können effizient die nahezu richtigen Parameter liefern und somit die Vorserienkosten reduzieren.

Data-Driven Workflow: jede Schweißprobe wird geprüft und der Schweißpunktdurchmesser vermessen. Gleichzeitig werden die Prozessdaten via MQTT an die Software von 3plusplus übertragen, ausgewertet und mit einem ID-Schlüssel in der Datenbank gemeinsam mit dem Schweißpunktdurchmesser abgelegt.
Data-Driven Workflow: jede Schweißprobe wird geprüft und der Schweißpunktdurchmesser vermessen. Gleichzeitig werden die Prozessdaten via MQTT an die Software von 3plusplus übertragen, ausgewertet und mit einem ID-Schlüssel in der Datenbank gemeinsam mit dem Schweißpunktdurchmesser abgelegt.
(Bild: Fraunhofer-IPK)

Viele Fabrikbetreiber versuchen, die Prozessverantwortlichkeit hinsichtlich Qualität und Zuverlässigkeit immer mehr von sich auf die Anlagenhersteller zu übertragen. Die Ursache dafür liegt im Fachkräftemangel, denn die aufwendige Parameterfindung setzt viel Erfahrung und Know-how voraus. Es wird erwartet, dass die eingekaufte Anlage automatisch einen stabilen Prozess einstellt und qualitativ hochwertige Güter liefert. Dies stellt eine große Herausforderung für die Anlagenhersteller dar. Ohne die vorherrschenden Bedingungen zu kennen, müssen die Anlagen ihre Aufgaben innerhalb vorgegebener Systemgrenzen weitgehend autonom und zuverlässig erfüllen. Dafür eignen sich insbesondere Algorithmen der künstlichen Intelligenz (KI). Die Vorzüge einer KI-basierten Parametrierung werden nachfolgend am Beispiel des Widerstandspunktschweißens (WPS) im Karosseriebau vorgestellt.

Kombination von Materialien und Dicken steigert die Komplexität

Eine typische Autokarosserie kann bis zu 5.000 WPS-Verbindungen aufweisen. Ein Großteil davon besteht aus Zweiblechverbindungen, jedoch sind Dreiblechverbindungen mit unterschiedlichen Blechdicken in der Produktion unausweichlich. Die Kombination unterschiedlicher Materialien und Blechdicken steigert die Komplexität der Parametrierung. Dabei muss sichergestellt werden, dass sich die Schweißlinse ausreichend groß bildet. Der Schweißpunktdurchmesser gilt daher als ein wichtiger Qualitätsindikator, welcher die mechanische Leistungsfähigkeit beeinflusst. In der Produktion wird die Schweißpunktgröße i.d.R. zerstörend geprüft. Die Parametrierung neuer Verbindungen stellt einen erheblichen Aufwand dar, dem heute nur durch experimentelles Trial-and-Error begegnet werden kann.

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KI-Algorithmen können schnelle Vorhersagen bzgl. des WPS-Prozesses treffen und zur Bestimmung der Prozessparameter hinzugezogen werden. Zur Schaffung hoher Prognosegüten sind große Datenmengen notwendig, die im Vorhinein ausgewertet werden müssen. Für die Beurteilung der Schweißqualität können die Prozessdaten aus der Schweißstromsteuerung herangezogen werden. Für das Zusammenführen und Speichern der Prozessdaten bietet die 3plusplus GmbH eine hersteller- und schnittstellenunabhängige Softwarelösung an. Die Software wurde in Zusammenarbeit mit der 3plusplus GmbH an das WPS angepasst und im Labor des Fraunhofer-IPK implementiert. Mittels eines Dashboards wurde der Schweißprozess durch eine In-situ-Parameterdarstellung visuell begutachtet sowie parallel die Speicherung der relevanten Daten vorgenommen.

KI kann Fügequalität korrekt vorhersagen

Den Ausgangspunkt für die Implementierung des KI-Algorithmus bildet ein ausreichend großer Datensatz, der mittels einer Parameterstudie mit einem Versuchsaufbau erstellt wurde. Sämtliche Schweißversuche wurden mit einem gängigen hochfesten Dualphasenstahl aus der Automobilindustrie durchgeführt. Durch Variation des Schweißstroms im Bereich von 7,7 kA und 8,2 kA, der Elektrodenkraft zwischen 2,5 kN und 4,5 kN und der Schweißzeit zwischen 280 ms und 380 ms, konnte eine große Varianz an Daten erreicht werden. In der darauffolgenden zerstörenden Prüfung wurde jede Schweißprobe am Schweißpunkt aufgetrennt und der Schweißpunktdurchmesser unter einem Lichtmikroskop vermessen. Die Ablage des gemessenen Durchmessers in einer Datenbank erfolgte unter Zuweisung einer eindeutigen Identifikationsnummer, die die Zuordnung des Durchmessers zu den jeweiligen Prozessdaten sicherstellt.

Die eingesetzte Software von 3plusplus akquirierte die Prozessdaten der Schweißstromsteuerung, versah sie mit der jeweiligen Identifikationsnummer und speicherte sie anschließend in einer Datenbank ab. Anschließend bereitete das Fraunhofer-IPK die gesammelten Daten auf und sortierte sie entsprechend ihrer Signifikanz. Die zehn wichtigsten identifizierten Prozessmerkmale wurden für das Training der KI verwendet.

Der verwendete KI-Algorithmus eignet sich zur Klassifizierung von Parametern. Allein aus den Prozessdaten kann die KI eine Vorhersage bzgl. der Fügequalität treffen, ohne die Proben zerstörend zu prüfen. In 95 Prozent der Fälle konnte die KI die Fügequalität korrekt vorhersagen.

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KI-Algorithmen sind anhand von Prozessdaten in der Lage, den qualitativen Output von Schweißverbindungen gut vorherzusagen. Dies kann als Basis für eine KI-basierte Parametrierung genutzt werden. In dem hier vorgestellten Fall des Widerstandspunktschweißens kann die KI anhand der üblichen Prozessparameter (Schweißstrom, Elektrodenkraft, Schweißzeit) die Fügequalität prognostizieren. Mit den entsprechenden Randwerten (Mindestqualitätsmaß am unteren und am oberen Ende des Prozessfensters) ist es möglich, den Schweißbereich abzuleiten. Diese Methodik erlaubt eine drastische Reduzierung des Aufwands der Parametrierung einer neuen WPS-Verbindung und ist auf weitere Schweißverfahren übertragbar.

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