Werkzeugbau Gestaltung bestimmt Lebensdauer und Funktion von Umformwerkzeugen

Autor / Redakteur: Dietmar Kuhn / Dietmar Kuhn

Umformwerkzeuge sind härtesten Beanspruchungen ausgesetzt, Funktion und Lebensdauer hängen im wesentlichen von ihrer Gestaltung ab. Vor diesem Hintergrund arbeiten die Werkzeughersteller an neuen Methoden und Techniken. Die Veranstaltung „Innovationen im Werkzeug- und Formenbau“ des Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) machte deutlich, wohin die Reise im Umformwerkzeugbau geht.

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Betroffen von den neueren Entwicklungen der Umformwerkzeuge ist die Automobilindustrie. Die dort zunehmende Variantenvielfalt fordert bei gleich bleibender Qualität der Produkte innerhalb kürzester Zeit die Entwicklung und Fertigung neuer Blechbauteile, die zudem noch in höheren Stückzahlen zur Verfügung stehen müssen. Als besondere Herausforderung im Entstehungsprozess neuer Fahrzeuge gilt dabei die kontinuierliche Verkürzung der Entwicklungszeit.

Dies bildet sich auch in der Entwicklung und Herstellung der Presswerkzeuge ab. Wie Dipl.-Ing. Markus von Schwerin von der BMW Group durch Untersuchungen in Erfahrung brachte, stehen im wesentlichen zwei Stellhebel zur Verfügung an denen die Zeitreduzierung erreicht werden kann: „Für uns sind das das parallele und vernetzte Zusammenarbeiten sowie die virtuelle Prozessentwicklung“, verrät er. Vor diesem Hintergrund gewinnt eine gezielte Auslegung von Fertigungsmitteln (FM) wie auch die Optimierung der Fertigungsprozesse zunehmend an Bedeutung. Eine weitgehende Standardisierung der FM-Entwicklung könnte dabei der Schlüssel zu wirtschaftlichen Kleinserien sein.

Optimaler Umformprozess: Bauteil, Werkzeug und Presse funktionieren reibungslos

Ein optimaler Umformprozess kann dann sichergestellt werden, wenn das Zusammenspiel von Bauteil, Werkzeug und Presse reibungslos funktioniert. Die Einflussfaktoren sind dafür vor allem das Einfahren der Werkzeuge - das so genannte Tuschieren – wobei sich die Durchbiegung des Pressentisches unter der jeweils bauteilspezifischen Last als problematisch erweist, sowie der Trend zu höherfesten Materialien, die diesen Effekt zusätzlich fördern. In dem von BMW untersuchten Wechselspiel von Werkzeug und Presse wurde als Ergebnis eine Methode zur effizienten Gestaltung eines gesamten CAE-Prozessmodells entwickelt.

Als relevante Größen fanden dabei die Methodendaten des spezifischen Bauteils, sowie die CAD-Werkzeugkonstruktion Eingang in den virtuellen Prozess. Die Durchführung einer Umformsimulation lieferte die spezifischen Belastungen, die in einem weiteren Schritt auf der Werkzeugwirkfläche angreifen und so den Lastfall simulieren. „Erst durch den virtuellen Einbau des Werkzeuges in das FE-Modell der Umformpresse wurde es möglich, die elastische Wechselwirkung der Presse und die daraus resultierenden Auswirkungen auf das Werkzeug zu simulieren“, erläutert von Schwerin. So steht am Ende neben dem Nachweis der fertigungstechnischen Machbarkeit des Bauteils auch eine Aussage über das elastische Verhalten des Werkzeuges mit der Umformpresse unter einer spezifischen Prozesslast.

Umformwerkzeug und Umformpresse FE-Modell aufgebaut

Untersucht hat von Schwerin das Umformwerkzeug für die Frontklappe des 5er-BMW mit den dazugehörenden Fertigungsprozessen. Dabei wurde sowohl das Umformwerkzeug als auch die entsprechende Umformpresse mit allen mechanisch relevanten Strukturen als FE-Modell aufgebaut. Unterschieden hatten die Automobil-Ingenieure grundsätzlich die Elementwahl der Presse sowie die des Werkzeuges.

Da die Umformpresse als Schweißkonstruktion mit Stahlplatten ausgeführt ist, eigneten sich zur Modellierung vor allem Schalenelemente. Im folgenden wurde das Ziehstufenwerkzeug für die untersuchte Frontklappe schematisch freigeschnitten um die Wirkkräfte darzustellen, die der Berechnung zugrunde lagen. So konnten Umformkräfte in Umformrichtung an der Stempelwirkfläche, an der Blechhalterwirkfläche sowie an der Matrizenwirkfläche sichtbar gemacht werden.

Ausgehend von der spezifischen Belastung, die aus der Blechumformung resultiert, wurde ein virtuelles Modell aufgebaut und berechnet. Als Zielvorgabe stand die Analyse des Zusammenspiels aus virtuellem Werkzeugmodell mit dem der Umformpresse. Dazu wurden die Daten aus den im Prozess verwendeten Serienparametern des entsprechenden Bauteils herangezogen.

Mit geeigneten Messmethoden wurden die Ergebnisse der Analyse – da vor allem die Tischdurchbiegung – verifiziert. Dazu wurde die Umformpresse mit zwei unterschiedlichen Lastfällen berechnet. Der erste berücksichtige dabei die individuelle Lastverteilung, die durch die spezifische Werkzeugstruktur mit der zugehörigen Belastung hervorgerufen wurde. Der zweite Lastfall war vereinfacht wobei eine konstante Flächenlast auf dem Pressentisch zugrunde lag. In beiden Fällen jedoch lag die Absolutkraft bei 8000 kN, woraus sich auch eine Vergleichbarkeit ergab.

Absicherung über drei unterschiedliche Messkonzepte

Die jeweiligen Berechnungsergebnisse aus dem CAE-Prozessmodell wurden über drei unterschiedliche Messkonzepte abgesichert:

– Messung der Tischdurchbiegung, wobei durch den Messaufbau die Durchbiegung des Pressentisches unter Prozesslast zum Vergleich mit den Berechnungsergebnissen erfasst wurde

– Messung der Kontaktkräfte mit Verteilung der Kontaktkräfte die durch eine Druckmessfolie zum Vergleich mit den Berechnungsergebnissen abgebildet wurde sowie

– Messung mit Dehnungsmessstreifen (DMS) womit die Dehnungen am Werkzeugunterteil zur Plausibilitätsprüfung des Dehnungsniveaus an ausgewählten Stellen während des Prozesses aufgezeichnet wurden.

Der von BMW entwickelte Prozess bietet eine methodische Möglichkeit für die belastungsgerechte Gestaltung von Umformwerkzeugen. Anwendungsmöglichkeiten sind beispielsweise die Weiterentwicklung bestehender Werkzeugstrukturen durch den Einsatz der Topologieoptimierung, was aber eine elastische Lagerung des Werkzeuges in der Presse voraussetzt um erfolgreich zu sein, sowie der Einsatz eines neuen Prozessmodells durch die Analyse des elastischen Werkzeugverhaltens in Bezug auf das Tuschierbild eines Werkzeuges.

„Die entwickelte Methodik leistet im Sinne der Erfassung des elastischen Verhaltens von Werkzeug und Umformpresse einen Beitrag zur prozesstypischen Lastfallformulierung von Umformwerkzeugen“. erklärt von Schwerin abschließend.

Tagung: 3D-Erfahrungsforum Innovation im Werkzeug- und Formenbau

Unter diesem Titel veranstaltete das Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) ein mehrtägiges Seminar. Vor dem Hintergrund des immer härteren Wettbewerbes im Werkzeug- und Formenbau wurden neue Wege und Lösungen aufgezeigt, deren Techniken zugrunde liegen, die möglicherweise nur in Hightech-Regionen umgesetzt werden können. Allen voran sind es digitale Werkzeuge sowie technische Anwendungen die schnell zum qualitativ hochwertigen Werkzeug und das unter strengsten Kostenbetrachtungen führen. Das iwb hat dazu auch einen umfangreichen Tagungsband herausgegeben in dem alle Vorträge zu finden sind. Interessenten können diesen beim iwb, Tel. (089) 289-15500 oder info@iwb.tum.de, anfordern.

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