Fertigung Plattformstrategie ermöglicht ressourcensparende Produktion

Autor / Redakteur: Dietmar Kuhn / Dietmar Kuhn

Der Hausgerätemarkt ist hart umkämpft. Nur wer weltweit agiert und seine internationale Produktion im Griff hat, kann knapp kalkulieren und seine Produkte kundengerecht anbieten. Ein Anbieter ist die BSH (Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH). Dort garantiert eine besondere Fertigung die wirtschaftliche, ressourcensparende und reibungslose Produktion im internationalen Verbund.

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Die Zahlen, die Dipl.-Ing. Markus Berngruber, Leiter Industrial Engineering – Projekte im Produktbereich Herde, an die Wand beamt, sind beeindruckend: 8,3 Mrd. Euro Jahresumsatz (2006), 44 Fertigungsstätten in 14 Ländern (Europa, Asien, USA und Lateinamerika) und mehr als 38 000 Mitarbeiter. Das sind die Eckdaten der BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH, die in Deutschland und Europa Marktführer ist sowie weltweit zu den vier führenden Unternehmen der Branche gehört.

Bosch und Siemens sind die Hauptmarken der BSH; daneben gehören noch sechs Spezialmarken und sechs Regionalmarken zum Markenportfolio. Entwickelt und produziert wird das komplette Spektrum moderner Hausgeräte. Kochen, Spülen, Waschen, Trocknen, Kühlen und Gefrieren gehören ebenso dazu wie die Bodenpflege und zahlreiche Consumer Products. Insgesamt wurden 2006 über 40 Mio. Geräte verkauft.

Wenn man sich diese Zahlen einmal vor Augen führt, dann wird bald klar, welche Dimensionen sich daraus auch für die Produktion dieser Geräte ergeben. Um dabei mit größtmöglicher Effizienz und unter umweltschonenden Gesichtspunkten zu fertigen, hat die BSH schon vor über 10 Jahren ein besonderes Umweltmanagementsystem entwickelt, das für alle Standorte der BSH gültig ist.

„In diesen Effizienzbetrachtungen haben insbesondere die Anlagentechnik, reibungslose Abläufe und eine optimale Auslastung der einzelnen Fabriken eine hohe Priorität“, erläutert Markus Berngruber, der im Rahmen seiner Funktion und Verantwortlichkeit auch eine besondere Plattformstrategie entwickelte, die diesen Ansprüchen gerecht wird. Exemplarisch sei hier die Herdeproduktion vorgestellt, die in Berngrubers Aufgabenbereich liegt und die bei BSH in einem Fertigungsverbund der Werke Traunreut (Deutschland, Zentrale), Bretten (Deutschland), Zaragoza (Spanien) und Istanbul (Türkei) stattfindet.

Plattformstategie erfordert gleichen Qualitätsmaßstab und Umweltstandard

Für alle vier Fertigungsstätten gilt demnach der selbe Qualitätsmaßstab und die selben Umweltstandards. Auch erhielt jede der vier Fabriken vergleichbare Management- und Technologiestandards. „Das ist notwendig“, sagt Berngrube, „um die Plattformstrategie überhaupt umsetzen zu können.“

Dahinter verbirgt sich ein einzigartiges Fertigungssystem, das vor allem von den Presswerken bestimmt wird. In diesen Presswerken werden viele Tonnen Stahl für die Kochgeräte, in erster Linie Elektroherde, verarbeitet.

Herzstück dieser Presswerke sind die Umformpressen. „Für eine optimale Verbundfertigung ist es wichtig, an allen Standorten die gleichen Fertigungsbedingungen zu haben“, verrät Dipl.-Ing. Jürgen Scheerer, Leiter Planung Vorfertigung – Produktbereich Herde, Fabrik Traunreut. Er entwickelt in erster Linie die Produktionseffizienz, die dann auf die anderen drei Werke übertragen wird.

Eine Umformpresse für alle Standorte

Dafür mussten die BSH-Strategen in erster Linie eine Umformpresse finden, die für die Produktionen an allen Standorten geeignet ist um die dortigen Bauteile herzustellen. Gleichzeitig mussten diese aber auch so kompatibel sein, dass Werkzeuge problemlos ausgetauscht werden können und das Ersatzteilmanagement möglichst einfach gehalten werden kann.

Demnach sollte die Umformtechnik der Standorte Traunreut, Bretten, Zaragoza und Istanbul absolut deckungsgleich sein. „Damit“, sagt Berngruber, „haben wir die Möglichkeiten, beim Ausfall einer Anlage im Verbund Produktionsausfälle an den anderen Standorten aufzufangen.“

So wirken sich beispielsweise technisch bedingte Mängel, eventuell durch ein defektes Werkzeug oder Pressenstillstand sowie Unter- oder Überkapazitäten nicht mehr nachteilig auf die Produktion insgesamt aus. „Und wir sind dabei, auch das Personal an allen Standorten auf den gleichen Wissens- und Fähigkeitsstand zu bringen und haben dafür auch ein eigenes Weiterbildungsprogramm entwickelt“, ergänzt Jürgen Scheerer.

Wie aber sollte die Presse aussehen, die den genannten Anforderungen gerecht werden kann? „Ganz einfach war das nicht“, bemerkt Berngruber und verweist auf die laufende Produktion, die durch ältere Pressen von Schuler, Weingarten, SMG und Erfurt gestützt wird (heute sind alle Marken unter dem Namen Schuler-Weingarten AG vereinheitlicht).

Erfurt-Presse als Referenzanlage

Als Referenzanlage diente dann letztendlich die vorhandene Erfurt-Presse. Sie lieferte die Datenbasis für die neuen, so genannten Plattformpressen. „Auf der Suche nach einer Presse, welche die notwendige Flexibilität für die Verbundfertigung mitbringt und sowohl als Produktions- und Tryoutpresse genutzt werden kann, haben wir viele Varianten durchgespielt bis der Anforderungskatalog fertig war“, sagen die Fertigungsoptimierer bei der BSH.

Darauf hin folgte eine Ausschreibung an fünf international tätige Pressenhersteller. Die Angebote wurden anschließend sorgfältig geprüft. „Wichtig waren uns dabei, dass die geforderten technischen Bedingungen aber auch Aspekte wie Service und Ersatzteilmanagement erstklassig erfüllt werden“, meint Berngruber. Die Entscheidung fiel dann für die Schuler AG.

Schuler baut Plattformpressen nach BSH-Vorgaben

In mehreren klärenden Gesprächen die sowohl in Traunreut als auch in der Schuler-Zentrale in Göppingen stattfanden, wurde die maßgeschneiderte Plattformpresse besprochen, entwickelt, gebaut und mittlerweile in den Werken Traunreut, Bretten, Zaragoza und Istanbul installiert. Es handelt sich dabei um jeweils eine Schuler 800-t-Transferpresse (Exzenterpresse) mit einer Bandanlage sowie einen Drei-Achs-Transfer die ebenfalls von Schuler beziehungsweise der Tochter Schuler Automation geliefert wurden. Eine fünfte Presse ist derzeit im Bau und wird bis Mitte 2008 in Traunreut in der erweiterten Presswerkhalle installiert.

Insbesondere standen bei den Spezialisten von Schuler und BSH für die Entwicklung der Plattfompresse die Presskraft, der Einbauraum, Hubhöhe, Durchbiegung, eine wirtschaftliche Transferlösung sowie die Bandbreite und Banddicke im Mittelpunkt. Die reale Plattformpresse verfügt nun über 800 t Presskraft, bietet vier Druckpunkte, ist mit Exzenterantrieb und einem Hub von 500 mm ausgestattet. Mit 190 kW Antriebsleistung schafft sie 40 Hub pro Minute bei Blechdicken von 0,5 bis 1,5 mm.

Die Tischgröße lässt mit Abmessungen von 4300 x 2000 mm Bänder und Bleche zwischen 500 und 1400 mm Breite zu. Zudem bietet er Raum für Werkzeuge bis 35 t Gewicht. Diese Werkzeuge werden in Traunreut gefertigt, eingefahren und stehen dann für die drei anderen Fertigungsstätten zur Verfügung.

Stanzabfälle werden über modernes System entsorgt

Zu einem umfassenden Umweltmanagement, wie es die BSH-Richtlinien festschreiben, gehört auch die Peripherie beziehungsweise die Stanzabfallentsorgung. „Bis die neue Presse Mitte 2008 installiert ist haben wir zusätzlich zum heute schon funktionierenden System ein modernes Stanzabfallmanagement das dann umfassend das gesamte Presswerk berücksichtigt“, erklärt Jürgen Scheerer. Damit werden die Stanzabfälle über ein unterirdisches Fördersystem direkt in die Eisenbahnwaggons zum Abtransport befördert.

So wird die BSH im Laufe des Jahres 2008 über eine einzigartige internationale Verbundfertigung mit praktisch austauschbaren Presswerken verfügen. „Dennoch“, sagt Berngruber, „bietet diese Plattformstrategie noch viel Potenzial, das wir im Laufe der Zeit heben werden.“

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