TU Chemnitz Forschungsprojekt bringt Wasserstrahlschneiden auf neue Ebene

Autor / Redakteur: Barbara Stumpp / M.A. Frauke Finus |

Im Verbund-Forschungsprojekt Ero Jet wird das Wasserstrahlschneiden revolutioniert: Es wird nicht nur leistungsfähiger, sondern auch viel präziser. Ziel ist die Erschließung der Suspensionsstrahltechnologie zur präzisen erosiven Bearbeitung schwer spanbarer Werkstoffe.

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Mit dem neuen Verfahren lassen sich filigrane Teile schneiden.
Mit dem neuen Verfahren lassen sich filigrane Teile schneiden.
(Bild: Stumpp / TU Chemnitz)

Will man sehen, was Wasserkraft zustande bringt, muss man sich nur die vielfältigen Landschaften ansehen: Wasser ebnet sogar Gebirge ein. Mit einem Wasserstrahl unter Druck und mit Abrasivmitteln lässt sich sogar meterdicker Stahl schneiden. Im Projekt Ero Jet wurden hier die Verfahrensgrenzen „ausgebaut“ und optimiert, mit herausragenden Ergebnissen was Präzision, Leistung und Steuerbarkeit angeht.

Erste Einsätze eines, damals relativ dicken Wasserstrahls, trugen Kies oder Tonschichten in der freien Natur ab oder erleichterte die Goldgewinnung. Mit höherem Druck und feinerem Strahl fand der Wasserstrahl dann seinen Einsatz in der Industrie, zum Beispiel zum Putzen von Gussstücken. In den 1960er Jahren, mit Drücken ab 700 bar trennte man damit wärmeempfindliche Teile, wie Faserverbünde. Um die Schneidleistung zu erhöhen fügte man dem Wasserstrahl Abrasivstoffe zu. Dabei wurden die abrasiven Partikel in einer Mischkammer von dem Wasserstrahl mitgerissen (Injektorstrahl).

Dreimal schneller schneiden als bisher

Anders der Suspensionsstrahl: Schon seit den 1990er Jahren setzt man diesen dank der beachtlichen Schneidleistung beispielsweise beim Rückbau von Kernkraftwerken ein. Dabei wird das Abrasivmittel direkt im Hochdruckbereich zugegeben. Um diese Technologie zu verfeinern und sie im Maschinenbau zu nutzen, entwickelten im Verbundprojekt Ero Jet Forscher der TU Chemnitz und einem Firmenverbund neue Lösungen. An der TU Chemnitz entstand so ein neuartiges Anlagenkonzept und ein Demonstrator mit deutlich verbesserter Schnittqualität. „Die Suspensionsstrahltechnik erhöht Effizienz und Strahlstabilität, und gestattet bisher unmögliche Anwendungen, wie das Bearbeiten von technischen Keramiken“, fasst Markus Dittrich, Forscher an der TU Chemnitz und Koordinator des Projekts zusammen.

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An der TU Chemnitz hat Wasserstrahlschneiden Tradition. Mit den Firmen Atech und der Lübecker ANT AG wurden zwei wichtige Projektpartner gewonnen. „Wir können jetzt den Partikelstrom im Wasserstrahl schalten und somit bestimmen, wann wie viele Partikel in der Mischung sein sollen“, berichtet Dittrich. Im AiF-ZIM-Projekt „Ero Jet – Erschließung der Suspensionsstrahltechnologie zur präzisen erosiven Bearbeitung schwer spanbarer Werkstoffe“ schaffte es der Verbund nahezu alle Materialien – abgesehen vom Diamant – dreimal schneller als mit der Injektorstrahltechnik zu schneiden. Dabei bietet sich die Suspensionsstrahltechnik speziell bei der Bearbeitung von dicken Faserverbünden, Hartmetallen und sehr harten technischen Keramiken an.

Das Reinwasserschneiden nutzt nur die Energie des Wasserstrahls. Damit lassen sich dünnwandige Metalle, Kunststoffe, GFK oder auch CFK schneiden. Für dickwandige Metalle, Glas, Keramik oder Naturstein fügt man dem Wasserstrahl ein Abrasivmaterial zu, meist Granatsand. Konventionell wird der Abrasivstoff dem Schneidstrahl zugemischt. Bei der Beschleunigung der quasi stehenden Abrasivpartikel in der Randzone des Strahles geht signifikant Energie verloren. Das reduziert den Gesamtwirkungsgrad um etwa ein Drittel und der Strahl besteht hierbei aus 90 % Luft, 9 % Wasser und nur 1 % Abrasivmittel.

Abrasivpartikel sind fast so schnell wie das Wasser

„Beim Suspensionsstrahlverfahren wird das Abrasivmittel mit dem Wasser in einem Hochdruckbehälter vorgemischt und anschließend gemeinsam beschleunigt. So gelangt das Abrasivmittel direkt in die Mitte des Strahls. Im Gegensatz zum Injektorprinzip kommt der Suspensionsstrahl dadurch ganz ohne Luft im Schneidstrahl aus“, berichtet Dittrich. Weil jeder Partikel im Wasser gebunden ist, verhält sich der Suspensionsstrahl beim Beschnitt deutlich stabiler als der Injektorstrahl. Dies bringt Vorteile bei der Bearbeitung von Verbundwerkstoffen und Werkstoffverbindungen, wie etwa CFK-Aluminium-Sandwichstrukturen, beim Beschnitt an Hartmetall und generell beim Bearbeiten von Halbzeugen mit großen Materialstärken und hoher Anforderung an die Bearbeitungsgenauigkeit und -qualität. Durch die gemeinsame Beschleunigung beider Phasen sind die Abrasivpartikel außerdem fast so schnell wie das Wasser und Energieverluste bei der Partikelbeschleunigung können so weitgehend vernachlässigt werden. Mit smarter Ventiltechnik lässt sich der Abrasivmittelförderstrom aktiv und somit anforderungsgerecht innerhalb kürzester Zeit regulieren. Das ermöglicht es unterschiedliche und voneinander unabhängige Bauteilgeometrien innerhalb eines Arbeitsganges zu fertigen. „Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass dank der neuen Technologie eine kostengünstigere, flexiblere und schnellere Produktion möglich ist“, erklärt der Chemnitzer Forscher. So lassen sich mit dieser weiterentwickelten Technologie filigranste Teile aus Hochleistungswerkstoffen, wie Karbon, noch effizienter schneiden.

Das Projekt läuft noch bis September 2018. Die Anlagentechnik funktioniert und der Strahl wird beherrscht. Die Menge der Abrasivmittel im Strahl und wann sie im Strahl vorhanden sind ist steuerbar, man kann so den Schnitt unterbrechen und auch Segmente schneiden, bei einem Strahldurchmesser unter 0,3 mm Durchmesser. Allerdings bleibt noch einiges zu tun. So müssen Feinheiten wie Schaltzyklen optimiert werden, um noch effizienter zu arbeiten. Weiter will das Forscherteam die Strahlposition verbessern. „Momentan sind wir bei einer Positionsgenauigkeit von 100 µm. Ziel sind weniger als 10 µm, denn dann hätten wir den Stand der Technik anderer Anlagen", fasst Dittrich zusammen. Grund der jetzigen „Ungenauigkeit“ ist, dass man die Antriebe beziehungsweise Steuerungen relativ zum Suspensionsstrahl auf Sicherheitsabstand gebracht hat, damit notfalls nichts beschädigt wird.

Ein Nachfolgeprojekt ist denkbar. Die von ANT entwickelte, kontinuierlich arbeitende Suspensionserzeugung „Consus“ hat schon jetzt den Wasserstrahlsektor revolutioniert. Ein weiterer interessanter Einsatz wäre die 3D-Bearbeitung, bei der der Schneidstrahl in bestimmten Winkeln angestellt wird, was bei konventioneller Wasserstrahltechnik Stand der Technik ist.

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