Digitalisierung „Sich darauf konzentrieren, was einen einzigartig macht!“
Anbieter zum Thema
Ob standardisiert oder als maßgeschneiderte Lösung: Thyssenkrupp Materials Services verfügt über eine riesige Vielfalt an Materialien, Werkstoffen und auch Dienstleistungen. Wir sprachen mit dem Vorstandsvorsitzenden Martin Stillger über den Aufbruch in die Digitalisierung seines Geschäfts und nachhaltiges Wirtschaften.

Herr Stillger, als nach eigenen Angaben „größter werksunabhängiger Werkstofflieferant der westlichen Welt“: Wo stehen Sie im Vergleich zu Ihrem Wettbewerber Klöckner?
Mit Thyssenkrupp Materials Services sind wir in Deutschland und in Europa die Nummer 1. Als Marktführer gibt es kaum etwas in unserem Alltag, das nicht von uns geliefert, bearbeitet oder bewegt wurde. Mit unseren Produkten und Dienstleistungen sorgen wir dafür, dass Tag für Tag Autos vom Band rollen, Gebäude gebaut, Anlagen gefertigt werden und Flugzeuge abheben können. Statt uns mit anderen zu vergleichen, konzentrieren wir uns auf unsere Stärken, unsere Weiterentwicklung und das, was uns einzigartig macht. Ein herausragendes Merkmal unseres Unternehmens ist unsere Vielseitigkeit: Wir sind nicht nur im Werkstoffhandel tätig, sondern auch im globalen Rohstoffhandel und insbesondere im Bereich Supply Chain Services aktiv. Zudem legen wir großen Wert auf Nachhaltigkeit, denn wir glauben fest daran, dass echter und langfristiger Erfolg eine harmonische Balance zwischen ökonomischer, sozialer und ökologischer Verantwortung voraussetzt.
:quality(80):fill(efefef,0)/p7i.vogel.de/wcms/64/e7/64e7452945ca6/blechnet-dossier-schwei--en---schneiden-2023-kampagnenbild.png)
Auf Ihrer Website proklamieren Sie Ihre Entwicklung vom klassischen Werkstoffhändler zum intelligenten Lieferkettenmanager. Mit Verlaub, Herr Stillger: Ist das nicht alter Wein in neuen Schläuchen?
Ganz und gar nicht – insbesondere nach der Coronapandemie können wir hier nicht von altem Wein sprechen. Die Zeit hat uns nochmal sehr klar vor Augen geführt, wie fragil unsere globalen Lieferketten sind. Damit ist intelligentes Lieferkettenmanagement wichtiger denn je – und dies sehen auch unsere Kunden. Unsere Entwicklung haben wir zwar bereits 2019 in einem tiefgreifenden Veränderungsprozess angestoßen, sie ist aber relevanter als je zuvor. Wir entwickeln uns dabei Schritt für Schritt vom klassischen Werkstoffhändler zum intelligenten, nachhaltig ausgerichteten Lieferkettenmanager. Konkret heißt das: Statt nur Werkstoffe und Dienstleistungen anzubieten („Materials and Services“), bieten wir Werkstoffe als Dienstleistung („Materials as a Service“).
Welche Ihrer zwei Sparten – Distribution Services und Supply Chain Services – macht Ihnen im Konzern zur Zeit am meisten Spaß?
Die Gestaltung unserer Unternehmensstruktur ist kein Zufall, sondern spiegelt unsere strategische Weiterentwicklung hin zu „Materials as a Service“ wider. In dieser Struktur nehmen der Werkstoffhandel und die Supply Chain Services zentrale Positionen ein. Im Werkstoffhandel streben wir unter anderem eine kontinuierliche Optimierung und Automatisierung der Prozesse an. Bei den Supply Chain Services steht die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle im Vordergrund. Jeder dieser Bereiche hat seine eigene Dynamik und seinen eigenen Reiz. Was mich besonders begeistert, sind die Synergien, die sich ergeben. So können wir zum Beispiel die Expertise aus dem Supply-Chain-Management direkt unserem großen Kundenstamm im Werkstoffhandel anbieten, den wir über Jahrzehnte aufgebaut haben. Besonders viel Spaß macht es immer dann, wenn wir Geschäftsfelder erfolgreich weiterentwickeln und vorantreiben – und genau das erlebe ich in beiden Bereichen.
Wer sich beim „Stahlhändler seines Vertrauens“ für private Zwecke schon einmal einen Bund Vierkantrohre besorgt hat, kann wohl bestätigen, dass es in der Branche nicht sehr digital zugeht. Oder sehen Sie da inzwischen einen grundlegenden Wandel?
Der erforderliche Grad der Digitalisierung kann sehr individuell sein. Aber natürlich kann sich kein Unternehmen davor verschließen, sich zu digitalisieren, um wettbewerbsfähig zu sein. Wir sehen deshalb auch einen grundlegenden Wandel in der Branche, der alle Bereiche der Wertschöpfungskette betrifft. Im Supply-Chain-Management rücken beispielsweise resiliente Lieferketten, die sich durch Digitalisierung und Vernetzung auszeichnen, immer mehr in den Vordergrund. Daneben muss sich jedes Unternehmen die Frage stellen, wie interne Abläufe optimiert und automatisiert werden können – mit dem Wissen, dass Digitalisierung kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess ist. Nicht zu guter Letzt geht es auch darum, den Kunden alle Kanäle zu bieten, über die sie einkaufen oder mit uns in den Kontakt treten möchten. Wir setzen hier auf einen Omnichannel-Ansatz, der beispielsweise auch Plattformen und Shops umfasst. Ein wichtiger Nebeneffekt dieser Entwicklungen ist zudem die Dematerialisierung: Datenbasierte, digitale Lösungen sorgen dafür, dass Materialien immer nachhaltiger und effizienter eingesetzt werden.
Wie stark treffen Ereignisse wie die Havarie kürzlich im Suez-Kanal oder geschlossene Häfen in China Ihr Geschäft? Haben Sie Ausweichrouten definiert?
Ereignisse wie diese haben uns die Fragilität von Lieferketten vor Augen geführt. Sie haben einen grundlegenden Wandel in der Wirtschaft ausgelöst, bei dem es nicht mehr nur um Kostenoptimierung geht: Resilienz und Sicherheit der Lieferketten sind die Basis für ein funktionierendes, verlässliches Geschäft. Vor diesem Hintergrund beobachten wir, dass immer mehr Unternehmen auf Digitalisierung setzen, um ihre Lieferketten widerstandsfähiger zu machen. Angesichts dieser Entwicklungen setzen wir seit langem auf eine Multi-Sourcing-Strategie, die uns vor Abhängigkeiten von einzelnen Regionen oder Lieferanten schützt. Ein Ansatz, der sich unter anderem während der Corona-Pandemie bewährt hat: Unsere Lieferfähigkeit war jederzeit gewährleistet.
Es erscheint unausweichlich, dass ein Unternehmen wie Thyssenkrupp Materials Services – das nicht mit Informationen dealt, sondern mit „harter Ware“ – Ressourcen für Transport, Lagerung und Weiterverteilung seiner Handelsware (ver)braucht. Dagegen stellen Sie ja Ihre eigene Nachhaltigkeitsstrategie „BEYOND“. Geben Sie uns doch bitte einen Einblick in die Ziele dieser Strategie…
Als Werkstofflieferant sind wir uns unserer Verantwortung gegenüber der Umwelt und den nachfolgenden Generationen bewusst. Deshalb verfolgen wir die Vision einer Welt, in der Ressourcen optimal genutzt werden. Unser ganzheitlicher Nachhaltigkeitsansatz zielt nicht nur darauf ab, Ressourcenverschwendung zu vermeiden und CO2-Emissionen zu minimieren, sondern berücksichtigt auch ökonomische und soziale Aspekte. Dabei gehen wir über die international anerkannten ESG-Standards hinaus. Unser Nachhaltigkeitsmanifest „BEYOND“ ergänzt die ESG-Kriterien um weitere, für uns wesentliche Punkte. Ein Kernelement dieser Strategie ist nicht nur unser Ziel, ab 2030 klimaneutral zu arbeiten, sondern auch unsere über 250.000 Kunden weltweit bei der Erreichung ihrer Klimaziele zu unterstützen.
Scope 1 bis 3 – das sind doch für viele Ihrer Kunden und auch Lieferanten (noch) böhmische Dörfer. Geben Sie Ihren Produkten deshalb die Product-Carbon-Footprint-(PCF-)Daten mit auf den Weg?
Nachhaltigkeit braucht Transparenz. Viele Unternehmen wissen beispielsweise nicht, wie hoch ihr eigener CO2-Fußabdruck eigentlich ist. Scope 1 und 2, also Emissionen, die von Unternehmen selbst verursacht werden, sind nur ein Teil der Emissionen, die reduziert werden müssen. Ebenso wichtig sind die Scope-3-Emissionen, die die gesamte Energieerzeugung und Lieferkette umfassen. Ihre Berechnung stellt die Industrie vor Herausforderungen: Die fehlende Standardisierung der Methoden und die daraus resultierende Komplexität erschweren den Unternehmen den Zugang dazu. Aus diesem Grund haben wir beispielsweise den Product Carbon Footprint Calculator entwickelt. Mit diesem Rechner können die CO2-Emissionen in allen Scopes ermittelt werden. Denn es gilt: Nur wer diese kennt, kann sie gezielt reduzieren.
Herr Stillger, haben Sie vielen Dank für diese Einsichten in die Welt von Thyssenkrupp Materials Services!
(ID:49683245)